Sonntag, 30. September 2012

Kamikaze.

Ich streife durch ein fremdes Leben und bestaune seine hellen Farben.
Reicht das, um zu beginnen?, ich streiche eine Haarsträhne aus der Stirn.
Oder wollen wir sterben?
Er berührt sein Gesicht und schweigt, einen Punkt über meiner linken Schulter fokussierend.

Ich könnte weinen oder lachen aber ich schweige.

Samstag, 29. September 2012

Spieglein.

Eine Nacht durchgemacht: konnte nicht schlafen und habe drei Stunden gelernt, um sechs bin ich ins Fitness gegangen (ein Glück dass die schon so früh öffnen), eben noch geduscht und Abwasch gemacht - und mein Hase schläft immer noch.
Er ist so süß.


Zu meinem Körper:
Ich habe es geschafft in einer Woche 7 (!) Kilo zuzunehmen. Und zwar an Bauch, Oberschenkeln, Arsch und im Gesicht. Bin ich eine Mutation? Wie kann ein Mensch so aufgehen (wie ein Hefekloß)? Ähnlich schnell habe ich nur in der zweiten Klinik zugenommen, das waren 20 kg in acht Wochen...
Es ist ekelhaft. Vor allem, weil ich mich einfach weigere, mich an meine schöne weibliche Figur zu gewöhnen.
Beim Sport hatte ich T.s Jogginghose an. In meinem Studio gibt es relativ viele Spiegel und das Bild, das sich mir bot war, dezent formuliert, unschön. Seit ich letzten Sommer so fett geworden bin trage ich keine Hosen mehr. Gar keine. Wenn mein Gewicht unter 60 kg fällt, trage ich Shorts (nur mit hohen Absätzen, aber ich trage meistens Absätze insofern ist das nicht so schwierig).
Aber Jeans? Never.
Es gibt genau eine Hose, die vorteilhaft für mich ist, zumindest bei einem BMI von unter 14. Eine Jogginghose die ich immer beim Pilates und Yoga getragen habe. Eigentlich ist es eine Tchibo-Schlafanzugshose aus superweichem Jersey in hellgrau mit Gummibund oben. Diese Zauberhose vermochte gleichzeitig meine Hüftknochen sichtbar abzuzeichnen (Gumminbund!), lässig die Lücke zwischen meinen Oberschenkeln und meine knochigen Knie zu betonen und sie zeigte meinen winzigen Hintern im rechten Licht. --- Ich lese gerade, was ich schreibe, und es ist einfach nur krank.
Verherrlichung von Knochen? 
a) Wer bin ich eigentlich, ich fette Sau (63,6 kg nach AFM-Gebrauch), dass ich mich in verklärenden Sehnsüchten verliere anstatt etwas an meiner Situation zu ändern?!
b) Wer bin ich eigentlich, dass ich "Kurz-vorm-Abkratzen" zu meinem Schönheitsideal erkläre?
oder
c) Wer bin ich eigentlich, dass ich alle Welt mit sowas zutüte?
Wie schon gesagt - ich bin im Moment wahnsinnig instabil. Habe Aussetzer (so halb-dissoziativ), penne einen ganzen Tag lang komplett (gestern), kerbe Linien in meine Unterarme (heute früh um vier), trainiere mir 410 kcal im Fitness ab um heute nachmittag mit mir selbst eine Pizza bei meinem Lieblingsitaliener essen gehen zu können. Nee, die Pizza hätte ich auch so gegessen, Fitness hin oder her. Ich frage mich immer "Kannst du jetzt aufhören mit den Fressanfällen und wieder in den Hunger-Modus gehen? Oder fehlt noch was?" Ich habe nämlich die fixe Idee, dass ich in einer Binge-Phase ALLES, was ich geil finde, fressen muss, damit der Hunger darauf "gestillt" ist und ich das heißgeliebte Nahrungsmittel wieder für einige Zeit entbehren kann. In dieser Phase fehlt noch: Pizza und original Nutella. Dann bin ich wieder bereit, in den Hungerstreik zu treten. Alter ich bin so durch. 


Donnerstag, 27. September 2012

Waage, mal anders.

Therapie. Bin überrascht von meiner eigenen Courage: 
"Ich will eine Balance, einen Augleich zwischen den Extremen in meinem Leben haben. Sonst werde ich dauerhaft nicht zufrieden sein können. Ich will nicht den Rest meines Lebens zwischen ALLES und NICHTS hin- und hergeworfen werden, wenn Sie verstehen."
Also stelle ich mir eine Waage vor. Eine alte Waage mit Waagschalen. 
Das Gewicht auf der einen Waagschale ist schwerer, weil hier eine stärkere Konzentration, mehr Sog herrscht. Die Vorstellung, beide in Einklang zu bringen, fühlt sich nicht gut an. Das darf ich nicht.
Meine Therapeutin, stolz: 
"Aber Sie wollen eine kleine Annäherung zulassen, ein bisschen mehr Ausgewogenheit. Das ist wundervoll. Auch wenn diese in Ihren Augen faulen Dinge noch nicht so viel Gewicht bekommen sollen in Ihrem Leben, ist das ein Fortschritt."

(selbsterklärende "Grafik", entschuldigt meine miese Klaue)


Mir ist langweilig und ich bin ein kleines Kind, dass den ganzen Tag vor dem Spiegel steht. Deswegen zwei qualitativ hochwertige (haha) Webcambilder!

Allerliebste Grüße an meine 27 Leser! Wow. Danke.

Mittwoch, 26. September 2012

Hirnstrommessung.



Ich habe wahnsinnige Kopfschmerzen und einen unangenehmen Geschmack im Mund (eine Mischung aus Zigaretten, Cola Zero und Milka-Cookies), liege mit meinem von T. reparierten Laptop im Bett und sehe The Big Bang Theory. Eigentlich wollte ich ein Lernheft bearbeiten, aber meine Kopfschmerzen machen intellektuelle Anstrengungen unfruchtbar.
Heute Nacht ist T. im Flur zusammengebrochen (Kreislaufkollaps plus Medikamente plus Alk) und hat sich offenbar die Nase gebrochen.
Wir hatten Sex (vorher natürlich) und die Veränderung meines Körpers von Modelmaßen zu unförmiger Kleidergröße 38 binnen einer Woche scheint ihm nicht aufgefallen zu sein (ich hatte ein Nachthemd an), oder ihn nicht zu stören. Wobei letzteres unwahrscheinlich ist, ich weiß ja wie er andere Frauen wahrnimmt und beurteilt. Dieser Mann ist ein großes Mysterium für mich.
Ich werde nie begreifen wie er es so weit kommen lassen konnte – außer wir gehen davon aus, das er den Keim der Depression und der Neigung zum Suchtmittelmissbrauch schon von Geburt an in sich trug und dieser wie ein Virus bei Psycho-Immunschwäche immer wieder ausbricht. Und was seine „Liebe“ zu mir angeht, die ich einfach schlicht nicht verdient habe: Ich werde es nie begreifen. 
Es ist nur leichter für mich, sie zu akzeptieren, wenn ich mir zumindest einreden kann, „okay“ zu sein.
„Okay“ ist undifferenziert für: dünn, genügsam, leistungsstark, unabhängig in finanzieller Hinsicht, altruistisch und so weiter. Klar, das klingt nach großer Anstrengung, ist es aber gar nicht. Wenn ich nur ordentlich hungere, bekomme ich die anderen Eigenschaften sozusagen als Bonustracks gratis obendrauf. Kennt ihr das? Die Gleichung ist relativ simpel: HUNGERN (= dünner sein) bewirkt einen Energiekick, welcher mich befähigt effizienter zu haushalten (zum Beispiel mit Geld, Nahrungsmitteln, Erwartungen und Forderungen an / von anderen). Und es ist leichter, mich zurückzunehmen, hilfsbereit zu sein.
Scheinbar sind in meinem Geist die Art und Weise der Nahrungsaufnahme und mein Auftreten nach außen untrennbar miteinander verknüpft. Vielleicht sollte ich besser sagen „ineinander verknotet“. Sobald ich fresse, bin ich maulig, fordernd, laut, werfe unendlich viel Geld zum Fenster raus, gehe meinem Umfeld auf den Sack, schneide mich, streite, bin faul, müde und antriebslos.
Es gibt nur diese zwei Modi. Früher dachte ich, ich wäre vielleicht bipolar und die Hunger-Phasen würden Manien entsprechen, aber das ist Schwachsinn. Der Hunger-Aktivitäts-Modus ist genauso normal und Teil meiner Selbst wie der Fress-Faul-Modus, das habe ich inzwischen akzeptiert.
Meine Therapeutin versucht mir weis zu machen, dass es normal ist, seine Haltung zum Leben oder die Art, es zu führen, häufig ändert. Dass normale Menschen zum Beispiel im Job anders funktionieren als privat...
Aber sein Essverhalten zwanghaft nach seinem Aktivitätsgrad auszurichten beziehungsweise seinen Aktivitätsgrad vom Essverhalten diktieren zu lassen, DAS ist nicht normal. Es ist bescheuert.
Total bescheuert ist auch, dass ich gerade in den Fress-Phasen null Motivation habe, Sport zu betreiben, obwohl es gerade da nötig wäre. Ich habe neulich bei herzenswunsch einen ähnlichen Gedanken gelesen und das hat mich nachdenklich gemacht: Im Prinzip wird ja immer empfohlen, etwas einfach (EINFACH! Haha.) zu TUN, also anzufangen. Die Motivation käme dann währenddessen. Man sollte sich zwingen, zum Beispiel zum Sport zu gehen, und würde dann für die Überwindung mit neuer Kraft und Motivation belohnt. Nur: Bei mir scheint das nicht zu funktionieren. Weiß nicht ob es an der Depression liegt, an meinem Charakter oder woran auch immer – wenn ich nicht will, kann ich auch nicht. Blockade. Gilt auch für Lernen, Ausgehen, zum Teil, wenn es besonders schlimm ist, auch für's Aufstehen morgens. Dann liege ich eine Stunde lang da, mit voller Blase, Durst und dem Wissen, dass ich mein Venlafaxin (Antidepressivum) einnehmen sollte, aber kann mich nicht dazu aufraffen. Geschweige denn zu Rauchen, den Fernseher einzuschalten oder Kaffee zu kochen.
Natürlich packe ich es dann irgendwann. Aber „belohnt“ mit „Motivation“ wird mein Kampf dann nicht. Liegt das an mir? Sollte ich mich häufiger zwingen, mehr Einfluss auf mein Handeln auszuüben versuchen?
Nach dem Prinzip: Ich gehe jetzt einfach ins Fitness und hoffe, dass ich dadurch keine Essanfälle mehr habe?! Dem Prinzip: Ich stehe jetzt einfach um halb acht auf, koche Kaffee, rauche eine und dann geht’s los mit Lernen, just do it?!
Experimente können nicht schaden. Also fresse ich mich nochmal schön voll, gehe dann ins Fitness und versuche morgen früh ein Lernheft fertig zu stellen.
Sorry, dass ich so lange brauche um einen Entschluss zu fassen und das dann auch noch so ausführlich ausbreiten muss, aber wie man unschwer erkennen kann sind die Assoziationsketten in meinem Gehirn wie Unkraut und es hilft, sie mal schriftlich zu ordnen.

Edit 1: Ich gehe nicht ins Fitness, ich gehe Futter kaufen. (Stellt euch eine Tussi vor, die sich in den Kopf schießt)

Edit 2: Ich wurde von melli getagged! Dankesehr... Ich soll 11 Dinge über mich sagen? Okay:

  1. Ich stehe auf wesentlich ältere Männer, seit ich mit 13 für den Sänger von Depeche Mode (45)   
     geschwärmt habe.
  2. Am liebsten trage ich "Chance" von Chanel und "Jil" von Jil Sander.
  3. Meine Nägel sind im Moment bis auf die Haut abgekaut und -gerissen.
  4. Mit 6 Jahren hatte ich meine erste Panikattacke, seitdem bin ich in Therapie (mit Unterbrechungen!).
  5. Ich wirke wahnsinnig unsympathisch und arrogant, weil ich krass unsicher bin.
  6. Ich hatte schon mal eine Magensonde und eine Mandel-OP.
  7. Ich bin mit meiner Wärmflasche verwachsen, oder kurz davor.
  8. Ich finde Hipster-Kiddies immer ganz schlimm peinlich und laufe selber rum wie eines.
  9. Ich habe mal einen Mofa-Führerschein gemacht und bin noch nie gefahren seitdem.
 10.Ich hasse es, zu verlieren und kann Kritik nicht verkraften.
 11.Ich verehre Ernest Hemingway und Vladimir Nabokov. Leider tot.

Dienstag, 25. September 2012

Wie wird man adipös?

Diese Frage habe ich mir schon häufig gestellt.
In der ersten Klinik gab es eine Station extra für Adipositas-Patienten und einen, mit dem ich häufiger mal auf einer Bank am Parkplatz gesessen und eine geraucht habe. Interessanterweise glichen sich unsere Biografien und Denkmuster, nur dass er schätzungsweise fünf bis sechsmal so viel Gewicht mit sich rumschleppte wie ich.
Seit ich mit Fressanfällen kämpfe erscheint es mir gar nicht mehr so undenkbar, in seine Lage zu geraten (genauso wie es für ihn undenkbar ausgesehen haben muss, so wie ich zu enden). Im Prinzip nimmt man an Gewicht zu, wenn man sich überfrisst. Wie alle kennen sie aus MTV-Trash-Dokus: arbeitslose Amerikanerin mit 500 Pfund Körpergewicht sitzt auf ihrem Sofa vor der Glotze und lässt sich von ihrem um einiges schlankeren Freund Kistenweise Donuts und Pizza-Hut-Käserand-Pizzen ankarren, welche sie mit zehn Liter Coke und Sprite runterspült (dass sie Amerikanerin ist, tut dabei natürlich nichts zur Sache. Ist nur so ein beliebtes Motiv). SO wird man Fettleibig.
Wo liegt der Unterschied zu meinem Essverhalten in der letzten Zeit?
  Es gibt keinen. Ich platze hoffentlich und sterbe an einer Magenperforation. Verdient hätte ich's.
Ich will das gar nicht groß problematisieren (was ich dennoch tue), es wird wieder aufhören. Aber es ist so sinn- und zwecklos.
Meine Therapeutin ist krank und ich ekele mich vor mir, trés choutte! Ich schneide mich fröhlich weiter und hoffe auf eine Eingebung von oben, die mich zwingt, wieder zu hungern und Sport zu machen.
Von T. scheint diese Eingebung nicht zu kommen. Er verliert sich zwischen "Ich will lieber sterben als weiter mit dir zu leben, so schrecklich bist du als Mensch" und "Bleib hier. Ich liebe dich". Er sagt, ich würde "gut" und "vernünftig" essen und übersieht, wie viele Packungen Kinderschokolade in unserem Müll liegen, registriert nicht, dass ich Fressen gehe, wenn ich die Wohnung verlasse. Von einem Kiosk zum nächsten, kann kaum den Septemberwind (lauwarm und frisch) genießen, schnell: in den Supermarkt, da kann ich mit EC-Karte zahlen. Naja, klauen geht auch. Und weiter zum Bäcker. Ich fresse über die Erschöpfung hinaus, überall. Esse heimlich Croissants auf dem Klo, Nudeln aus vollen Töpfen, Nougat aus der Jackentasche, ohne zu knistern.
Und es ist nicht mal mehr lecker.
Meine Haut zirpt und spannt, ich lagere Wasser ein und bekomme (Paranoia?) Dehnungsstreifen. Aber so genau sehe ich seit einer Woche nicht mehr hin. Kein Körperkontakt, nicht mal von mir selbst, ERST RECHT nicht von mir selbst.
  Wenn ich das, sagen wir, ein paar Monate weitermache, werde ich dann adipös?
Und darf ich dann endlich eine Fettabsaugung machen lassen?
Mama, wieso wird man dick vom Essen?
Und wieso mag ich das Essen nicht mehr?

Und wieso zur Hölle esse ich dennoch weiter?!

Samstag, 22. September 2012

Message from the suicidal cave.

Drei Tage Fressen (oder sind es vier?), viermal so viele Nervenzusammenbrüche.
nachts daliegen und mir wünschen, er wäre tot (ich wäre tot).
Minutiöse Planung von Rasierklingen-Exzessen und Blutbädern in seiner Wanne (unserer Wanne, dem Bordstein, einer Autobahnbrücke). Und dann doch nur Selbstverbrennung mit Zigaretten am Handrücken (am Fußknöchel, am Oberschenkel).
Unendlich viele Beschimpfungen, Vorwürfe, Brandsätze von ihm (es wäre besser, tot zu sein), viel zu viel Trost und Wärme von meiner Mutter (es wäre besser, tot zu sein).
Zahlen rasen an meinen Augen vorbei, Buchstaben ohne Sinn (Ratgeber Suizidalität, Narzissmus, Missbrauch) und Zweck (wenn ich einfach sterben würde).
Kalorien, Kalorien, Fett und Zucker und AFM und Blut und das fette Ende. Wie lange (noch)? Wozu (es wäre besser, tot zu sein).
Und keine Hife im Diesseits (Fett, Fett, FETT).

Dienstag, 18. September 2012

Hey, sweet depression.

Irgendwie ist alles irgendwie so leer.
Ich bin dumm hoch zehn, dass ich heute (es ist DIENSTAG) mit morgen verwechselt habe - Ergebnis ist, dass ich umsonst mit dem Rad nach Bornheim (zur Therapie, die erst morgen ist) gefahren bin. Es klingt vielleicht bescheuert, aber ich versuche nicht so viel Fahrrad zu fahren weil ich den Verdacht hege, dass man davon fette Muskeln an den Beinen bekommt und darauf kann ich liebend gerne verzichten.
Ich klingele also um ein Uhr bei meiner Therapeutin und keine Sau ist da.
Ratterratterratter.
Plötzlich dämmert es in einer kleinen, vertaubten Ecke meines Gehirns und ich resigniere.
Das heißt in diesem Fall, ich sinke auf die Stufe vor der Tür meiner Therapeutin und sitze einfach nur da. Leere. Nichts. Traurigkeit. Warum bin ich traurig? Vielleicht, weil ich sie dringend sprechen wollte. Mir fällt der Grund nicht mehr ein, aber es war wichtig. Na super.
Ich bin müde und meine Beine tun weh von dem vielen Sport gestern und heute. Ich erlaube mir, mit der Bahn zurück zu fahren, was ebenfalls eine Tortour ist und an meinen Nerven zerrt.
In den S-Bahn-Schacht fliegt eine Fledermaus. Oder war es eine schwarze Tüte?
Heute Nacht habe ich geträumt, dass meine Mutter sich umbringen will, weil wir pleite sind und ich permanent nur Geld von ihr fordere.
Mein Freund ist noch fertiger als ich. Wenigstens nehme ich ab, auch wenn ich mir heute megafett vorkomme. Das Outfit, welches sowohl meine Beine als auch die Schlüsselbeinknochen betont und die fette Hüfte etwas kaschiert kam mir, als ich in Bornheim war, gar nicht mehr passend vor. Ich sah auch nicht mehr dünn aus darin sondern farb- und formlos und scheiße.
Ich bin zum Zerreißen angespannt und todmüde. Kein Bock mehr, trallala.
Egal, Schlaf schüttet ein gewisses Sättigungshormon aus, mir soll's recht sein.

Montag, 17. September 2012

Fragespiel.

Die Nacht, so lang die Nacht.
T. sagt, er wird Schluss machen mit mir, ehe ich mich zu Tode hungere. Ganz trocken. Er sagt, das wird er sich nicht nochmal mit ansehen.

Und damit herzlich willkommen in der Endlosschleifen-Fragerunde: "Will ich eigentlich gesund werden?"
Heute zu Gast: Phoebe, bald 20, (Ex-)Anorektikerin, (Ex-zwei-Mal-untreue) Freundin von T., Ex-Insassin, mehrfache Ex-stationäre Psychoschrulle mit Ex-Untergewicht, Patientin in der ambulanten Psychoanlyse seit drei Jahren, Tochter übergewichtiger Eltern, Schwester einer zauberhaften, jungen, sozial integrierten, fast 16-jährigen, normalgewichtigen jungen Dame.
Gesund werden.
Wie kannst du mir das einzige in meinem Leben nehmen, das mir Selbstvertrauen verleiht?, frage ich ihn.
Ich bin lieber unnütz und scheiße und dünn als unnütz und scheiße und fett, ist das so schwer zu begreifen?
Und schlafen werde ich diese Nacht wohl auch nicht mehr.
Also, halten wir fest: Er hat Recht, ich habe schon viel zu viele Kliniken aufgesucht. Ich habe mit meiner Magersucht schon viel zu viel Leid erst über meine Familie und adann auch über ihn gebracht. Sorgenvolle Blicke, Streitigkeiten, meine Mutter in Tränen aufgelöst, meine Schwester wütend, ihn selbst verraten.
Ich habe aus Wut und Trotz und Selbsthass vor genau einem Jahr 20 kg zugenommen, um ihnen allen in die Fresse zu treten. Und ganz plötzlich war ich wieder "normal". Klar, depressiv, Arme aufgeschlitzt und all das, aber ich war normalgewichtig. Und alle, alle konnten aufatmen. Ich habe die Schule geschmissen, das begabte Kind boykottiert das Leben. Auch damit konnte mein Umfeld sich arrangieren.
Dass ich das ganze letzte Jahr ausschließlich mit meinem Körper gekämpft habe, wollten sie nicht sehen. Wenn ich ein paar Kilos verlor, wurde das zur Kenntnis genommen in der Hoffnung, dass ich durch Fressanfälle ohnehin früher oder später wieder bei über sechzig Kilo sein würde.
Jetzt, so wie ich hier sitze, will ich nichts mehr als dass es endlich wieder klappt. Wie das klingt.
Hirnkotze. Ich will es schaffen, was immer ES auch sein mag.
ES bedeutet nicht, ich bin dann mal glücklich mit meinem Körper und alles wird supi.
Es bedeutet vielleicht, ich will noch einmal (aber das wage ich kaum zu denken) unter die 40 kg-Grenze kommen und ein paar wundervolle Monate in der Lüneburger Heide verbringen, mit Tellerservice und Spätmahlzeiten und Kartenspielen und kontrolliertem Zunehmen.
ES bedeutet, Knochen sehen. Schön sein. Modeln.
Es bedeutet nicht, zu sterben, sondern zu Leben. Zu essen und trotzdem dünn zu sein.
Wie erreichen wir das, werte Expertin?
Im Grunde gibt es nur die Möglichkeit, abzunehmen - und zwar so viel, dass die paar Kilos, die man (also ich) durch das "wieder-normal-Essen" automatisch zunimmt, nicht so schlimm sind. Den "Kohl nicht mehr fett" machen, wie der Hesse sagt.
Was würden Sie tun, wenn ihr Freund die Drohung wahrmachen würde? Wenn er sich trennt, falls Sie weiter abnehmen?
Nun. Ich... Ich weiß es nicht. Was bin ich schon ohne ihn?

Ich komme nicht weiter. Ich bin ratlos.
Zeit, um noch ein paar Fragen von Ally (merci!) zu beantworten:


  1. Würdest du Fallschirmspringen ausprobieren?
    Nein. Ich bin ein Angsthase.
  2. Deine absolute Lieblingsfarbe?
    Alles mit schwarz gemischt.
  3. Welche Eigenschaft bewunderst du bei anderen und hättest sie gerne?
    Selbstvertrauen, Analytik, Disziplin. Ach, und ich hätte gerne einen Zauberstab, um Disharmonien zu begleichen. Einen rosafarbenen.
  4. „Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen.“ Wie siehst du das?
    Im Prinzip ist das wohl so. Außer, man ist wie ich zu blöd dazu und begeht den selben Fehler immer wieder.
  5. Bevor ich sterbe, ...?
    ...will ich wissen, was es heißt, glücklich zu sein.
  6. Hast du schon mal den ersten Schritt gewagt?
    Immer. (;
  7. Was ist dein Lieblingsgericht?
    Oh Gott. Kartoffelecken in Olivenöl mit Rosmarin und Knobi aus dem Ofen. Lasagne. Pizza mit Mozzarella, Rucola und Parmesan. Schokolade in allen Variationen. Blaubeertarte. Enchiladas. Alles mit Salsa. Überbackene Toats...
  8. Unsere Lebenserwartung liegt ungefähr bei 80 Jahren. Reicht die Zeit aus?
    Aber dicke.
  9. Wenn das Wetter deine Stimmung wiederspiegeln würde, wie würde das Wetter jetzt sein?
    Lila Morgenhimmel mit frischem Regenwind.
  10. Warum bloggst du?
    Gute Frage... Um mich selbst zu motivieren. Um Feedback zu erhalten und zu geben.
  11. Schon mal ein Brief an dein zukünftiges Ich geschrieben?
    So wie bei How I Met Your Mother? "Lieber zukünftiger Ted, lass die Finger von Karen?" Nee. Aber die Idee ist gut!

Sonntag, 16. September 2012

Incredible.


Unfassbar. UnFUCKINGfassbar!
Die Waage zeigt: 57,6 kg. Und das, obwohl sich in mir noch der Mageninhalt von zwei Tagen befindet (AFM haben noch nicht gewirkt).
Ist das zu glauben? Ich bin überglücklich.
12 Tage Diät und schon 5,1 kg weniger.
Wuhu.
Jippijay!
  Es kann so weiter gehen. Ich bitte doch sehr darum.

Zur Feier des tages ein paar alte Bilder von mir, um mich noch ein wenig weiter zu motivieren, am Ball zu bleiben:

Mein 18. Geburtstag, 2010

Freigang aus der Klapse, 2011



Donnerstag, 13. September 2012

Blabla.

Gestern: "Hey, und ich möchte dir mal wieder einen richtig schönen BH kaufen."
Heute: Dessous geshoppt mit meinem wundervollen Freund. Hach.
Mein Kreislauf ist absolut im Eimer, habe den Fehler begangen heute zur Big-Bang-Theory-Zeit, also gegen zehn Uhr, ins Fitness zu gehen. Auf extrem nüchternen Magen...
Allerdings stelle ich fest, dass es bei akuter Zusammenbruchs-Gefahr auf dem Laufband sinnvoll ist, statt der üblichen 9 kmh auf 5,5 kmh runterzuschalten und dafür die Steigung auf 5-6% zu erhöhen. So kommt man immerhin ins Schwitzen und verbrennt drei Viertel der Kalorien wie beim Joggen, aber der Puls bleibt niedriger und mir wird nicht schwarz vor Augen beziehungsweise weich in den Beinen!
Und Trick No° zwei von Phoebe, der ausgefuchsten Profi-Hungerin (haha...):
Ich habe ein neues Mittagessen kreiert, das schnell geht und gut satt macht:

Man nehme...
...eine Portin Tiefkühlspinat von Iglu ~ 32 kcal
...80g Tofu (natur) ~ 100 kcal
...ein Viertel Paprika, das noch herumlag ~ 10 kcal
...stelle einen Topf mit kochendem Wasser auf, Spinat rein, Tofu würfeln und hinein damit, Paprika ebenfalls. Dann würze ich ordentlich mit Cayenne-Pfeffer, viel Salz und etwas Curry-Pulver und lasse das Wasser verkochen.

War sehr lecker und ausgesprochen eiweißhaltig bei weniger als 1,5g Kohlenhydraten.

Jetzt kommt T. mit seinem Sohn. Ciao!


Mittwoch, 12. September 2012

Romantischer Abend mit T.

Und zarte Küsse überall.

Good Morning Vietnam (Germany).

Moin.

T. hat mich leider unabsichtlich geweckt und seitdem bin ich ruhelos. Gegen das Magenknurren gab es einen Kaffee mit einem Schluck Milch, um die abzutrainieren (PANIK) gab es Sit-Ups, Beinscheren und Kniebeugen. Vielleicht sollte ich die Wohnung putzen, das wäre zumindest sinnvoller als zu Rauchen und mir merkwürdige Talkshows reinzuziehen.
Eben lief "Menschen bei Maischberger" in der Wiederholung. Der Zufall wollte es so - das Thema war Übergewicht. Zu Gast unter anderem Altmaier, das fette Schwein, diese magersüchtige Alexa ("- Ich kämpfe gegen ihre Kilos", RTL) und Mr "Du willst abnehmen und dauerhaft schlank bleiben? Mit dem 10 Weeks Body Change Program habe ich es geschafft, in 10 Wochen 20 Kilo abzunehmen" Soost. War überaus unterhaltsam. Die sind sich richtig an die Gurgel gegangen und "D!" (wie kann man sich so einen bescheuerten Namen geben?!) war noch am vernünftigsten...

Ach, ich könnte so etwas den ganzen Tag sehen. Beziehungsweise die ganze Nacht. Was ist nur aus mir geworden? T. wirft mir das auch immer vor, scherzhaft natürlich.
Als wir uns kennenlernten, war ich diese ätherische, verhuschte Gestalt, in Joy Division-T-Shirt und dicke schwarze Mohairschals gehüllt, mit Walkman (ich bin ja so retro) auf dem Balkon der Psychiatrie zu den Chameleons und The Smith tanzend, von einer versnobten Aura des "Intellektuellen", "Linksradikalen" und "kulturell Anspruchsvollen" umwabert, alles mainstreammäßige boykottierend ("Ich sehe kaum fern. Nur 3sat und arte". Pöhö.). Gespräche mit mir waren saumäßig anstrengend, weil ich permanent in Bewegung war (42 kg). Und wie das so ist, schon nach einigen Wochen, nachdem der erste Schleier des rosaroten Verliebtseins sich lüftete - surprise! Ich bin ein stinkechter Normalo. Ich liebe amerikanische Sitcoms, ziehe mir Kochshows rein, labere Blödsinn und verwende Ausdrücke aus der verpönten "Jugendsprache". Ich kann mich für Trash-TV und Germany's next Topmodel begeistern. Und liege dabei faul aufm Bett. Jawohl!
Das ist alles okay, Robbie Williams hören und Mamma Mia sehen hat meinen Horizont wirklich erweitert und mich von einem arroganten Gör zu einer, sagen wir, toleranteren Frau gemacht.

Ich hasse meine Vergangenheit, bis ich ihn traf. Und gleichzeitig werde ich mich immer hassen, wenn ich bei ihm bin, für das was ich ihm angetan habe. Ich bewache seinen Schlaf vom Schreibtisch aus und fühle... Scham.

Dienstag, 11. September 2012

Fazit Almased.

Nach genau 7 Tagen Almased wage ich es, einen winzig kleinen Erfolg für mich zu verbuchen.
Startgewicht: 62,7 kg
Gewicht heute früh (allerdings auf der Digitalwaage meiner Family und nicht bei T.: 59,1 kg
Das macht... 3,6 kg in sieben Tagen. Naja, wenn ich es so aufschreibe ist es doch respektabel. Zumindest bin ich endlich unter der sechzig! Aber insegheim hätte ich irgendwie mehr erwartet. Ich ahbe allerdings auch viel Muselaufbau gemacht in der Zeit.
Almased wirbt ja bekanntlich mit diesem Konzept der vier Stufen.
Das bedeutet, in der ersten Stufe, dem "radikalen Gewichtsverlust", nimmt man nur drei Shakes zu sich plus selbstgemachte Gemüsebrühe. Diese Phase soll einige Tage dauern, aber nicht zu lange. Radikaler Gewichtsverlust, hm, da hätte ich mir drei Kilo in drei Tagen vorgestellt oder so, aber was soll's, mein Stoffwechsel ist ja im Arsch, also darf ich wohl glücklich sein.
Danach stellt man eine Mahlzeit um auf "normales" Essen, welches allerdings eiweiß- und ballaststoffhaltig und kalorienarm sein soll. Empholen wird Salat mit Hähnchenbrust, ich werde ab heute mittags Salat mit Tofu essen. Das verfolgt man dann so lange bis man das gewünschte Zielgewicht erreicht hat. Dann wird nur noch ein Shake getrunken (abends) und schließlich ein Shake zusätzlcih zu den drei Mahlzeiten.
Ich ahbe das Konzept bisher ein wenig an meine eigenen Bedürfnisse angepasst. Das heißt ich habe nicht ganz fünf EL Almased mit Wasser gemischt und auf das Öl, das man hinzugeben soll, verzichtet. Ja, das Öl hätte meinem Stoffwechsel und meiner Depression (fettfreie Ernähre soll diese verschlimmern, habe ich irgendwo gelesen) sicherlich gut getan, aber leckt mich. Ich esse kein Öl!
Zudem habe ich zu den Shakes immer Kaffee mit einem Schuss Milch getrunken, weil ich den liebe und mich zwischendurch nicht getraut habe, weil ich den Blutzucker nicht durch ein paar Milliliter Milch durcheinanderbringen wollte in den 4-5 Stunden Pause zwischen meinen "Mahlzeiten". Wobei ich anmerke, dass ich nicht soo konsequent war diesbezüglich - zwanzig Minuten vor oder nach dem Shake habe ich es miur gestattet, Kaffee mit Milch zu trinken.
Und zwischendurch, wenn mein Kreislauf gefleht hat oder mein Magen rebellierte, gab es die selbstgemachte Gemüsebrühe. Sehr lecker, sättigt und gibt Kraft, gerade vorm Fitness! Womit wir beim nächten Punkt wären: Ich habe an jedem Tag mindestens 400 kcal im Fitness verbrannt, entweder Kardio (bei mir heißt das Intervalltraining auf dem Laufband) oder Kraft und Kardio. Am Anfang ging es noch sehr gut, aber die letzten drei Tage war ich vom Kreislauf her echt schon sehr an der Grenze.
Das Almased-Zeug schmeckt ganz okay, am Anfang fand ich es eklig und mehlig, aber wenn man es nicht zu sehr verdünnt und mit Zimt würzt ist es echt okay. Zum angepriesenen Sättigungseffekt muss ich allerdings laut husten (hust), eher mangelhaft! Ich hatte den Eindruck, dass der Magen nicht aufhört, zu grummeln, nur der Schwindel und das Schwächegefühl gehen nach dem Trinken für etwa eine Stunde zurück. Wenn man zwischendurch viel Tee und Brühe trinkt, und viel raucht (so wie ich) lassen sich die fünf Stunden Pause allerdings ganz gut überbrücken. Ich meine, hey, ich habe ewig lange von hundert Kalorien am Tag gelebt, da werde ich doch wohl läppische fünf Stunden ohne "Nahrung" auskommen?!
Appetit auf anderes hatte ich in der Zwischenzeit nicht, außer auf meinen geliebten Kaffee, was ich als positiv bewerte. Kein Plan ob das jetzt an mir lag oder an Almased, jedenfalls Null FA-Gefahr. Auch jetzt nicht. Könnte natürlich auch damit zusammenhängen, dass mein Gewissen mir zuzischt "Hey, du gibts 16,95€ pro Woche für diese Diät aus, willst du das durch einen FA ruinieren?! Das ganze schöne Geld wäre umsonst gewesen!" DAS ist Motivation, Freunde.
Ansonsten war die letzte Zeit nicht so wirklich glücklich, aber dazu ein ander Mal.
Küsschen an alle!

Sonntag, 9. September 2012

Mein Nest.

Wie angekündigt versuche ich jetzt, die (für mich) wichtige "Erkenntnis" aus meiner letzten Therapie am Donnerstag zu rekonstruieren. Mein Kopf ist zwar leer wie ein Fahrradschlauch, aber ich probiere es.

Warum sehne ich mich so nach diesem Zustand anfang letzten Jahres? Meine Therapeutin bat mich, diese Sehnsucht zu beschreiben. Was ist es denn gewesen? Wie kann es gut gewesen sein, wenn es die Phase vor DEN prägenden zwei Monaten in der Psychiatrie zur folge hatte (Suizidversuch, Riesenkrach mit meinen Eltern, Beerdigung meiner geliebten Oma und eines Kumpels, der Selbstmord begangen hat, und dann, ganz plötzlich, T. an meinem Horizont, Verliebtheit, mein erstes Mal,...)?!

Okay. Ich beame mich zurück. Hinter mir liegt mein allererster erste Klinikaufenthalt in Bad Bodenteich, Lüneburger Heide, KLinik für Psychsomatik, explizit für Essstörungen. Ich kämpfte mit mir selbst, mit den Therapeuten, mit den Mitpatientinnen. Es war schrecklich und zugleich bereichernd. Ich machte endlose Spaziergänge durch die Heide, durch kleine Wälder, am See entlangt (der besonders schön glitzerte zwischen Oktober und November, wenn Dunstnebel über dem Wasser stand und die kalte Herbstsonne sich durch den blaugrauen Wolkenhimmel kämpfte). Ich verbrachte meinen Eintritt in die Volljährigkeit mit meiner Familie, wir fuhren nach Lüneburg und ich aß eine Kugel Eis im Hundertwasserbahnhof von Üelzen. Ich fuhr mit zwei Mitpatientinnen nach Hamburg und fühlte mich so eins mit mir wie noch nie. Ich wog knapp 49 Kilo bei der Entlassung, das waren ungefähr 10 kg mehr als bei Einweisung anfang August.
Im Winter 2010 aß ich brav meinen Essplan aus der Klinik, 40%igen Quark und fetten Käse. Ich fuhr ein paar Mal nach Mainz zu einem Verhaltenstherapeuten für Essstörungen. Ich erinnere mich an die unfassbare Kälte des Winters, an die vielen Schichten Kleidung, die ich trug. Daran, dass ich die Stunde Fahrt von Frankfurt nach Mainz in der Bahn stand und Placebo hörte. Ich war krank. Ich war besessen von meinem Gewicht und meinem Körper. Einmal in der Woche fuhr ich zu meinem Kinderarzt und stellte mich dort auf eine ungenaue, steinalte Waage. 48 kg. Ich jubelte innerlich. Ich zelebrierte meine Mahlzeiten wie ein religiöses Ritual. Ich musste um jeden Preis zu einer exakten Uhrzeit essen, die Lebensmittel immer in der gleichen Reihenfolge zu mir nehmen. Jede Mahlzeit musste mindestens eine Dreiviertelstunde dauern.
Ich begann, wahnsinnig viel zu laufen. In der Klinik war Bewegung tabu gewesen, aber jetzt spürte ich den feinen Stich, das Kitzeln, die Stimme die mich aufforderte, zu gehen, einfach nur zu gehen, immer intensiver. Ich gab nach. Ich ging. Im Stechschritt. Eingehüllt in dicke Mäntel und mit zwei paar Handschuhen bewaffnet begann ich im Winter, nach jeder Mahlzeit durch die Gegend zu laufen. Joggen schien mir zu gefährlich, also wurde es ein sehr flottes Gehen über Eisschollen und verfrorenen Boden. Meine Zwischenmahlzeiten wurden kleiner. Ich lief eine Stunde zu einem riesigen Supermarktcenter und verbrachte dort eine weitere Stunde damit, vor dem Kühlregal und bei den Konserven nach geeigneten Mittags- und Zwischenmahlzeiten zu suchen. 47,8 kg. Ich notierte mein Gewicht Woche für Woche in einem schwarzen Notizbuch. Mein Gewicht nüchteren, zu Hause, und mein dummes, falsches Gewicht beim Kinderarzt. Erstellte Graphen, die immer weiter auseinanderdrifteten. 47,5 kg. Kurz vor Weihnachten suchte ich mir eine Schule heraus, um dort das Abi machen zu können. Andere Stadt, andere Schule, neue Chance?
Fest steht, ich wollte noch nicht wirklich. Ich tat es meiner Mutter zu liebe. Nach den Weihnachtsferien ging ich in die Q2, also das zweite Halbjahr der zwölften Klasse, man hatte mich ein Halbjahr überspringen lassen, weil mein Zeugnis so gut war.
Und hier kommt die Phase, nach der ich mich sehne.
Zum ersten Mal in meinem Leben sind die Mitschüler nett. Die Lehrer sind beeindruckend klug und respektvoll. Ich stehe um halb sechs auf, um mein ewig langes Frühstück einnehmen zu können. Das Brötchen mit Quark und Marmelade (zuckerarm) wandele ich in zusätzliche Löffel Marmelade, Quark und Vollkornflocken für mein Müsli um. Brötchen vor der Schule zu essen wäre so kompliziert.
Merkwürdig ist, dass ich eigentlich sehr unglücklich hätte sein müssen vor DER Phase. Aber daran erinnere ich mich kaum.
Ich erinnere mich an das Essen. Ich verwandele - Simsalabin - mein Mittagessen in kleine Zwischenmahlzeiten - Knäckebrot mit fettarmen Aufstrich, das ich liebe, und kleine grüne Apfel. Mein Vollfettquark wird zu 20%igem, der genauso schmneckt, und ich strecke ihn mit Wasser. Die Brote darunter werden kleiner, ich esse mehrere Knäckebrote statt einer Scheibe Vollkornbrot, spare hier und dort ein bisschen Kalorien. Nur ein wenig abnehmen, ich habe so viel Stress. Ein bisschen. 47 kg.
Meine Freistunden und Mittagspausen verbringe ich damit, im fahlen Sonnenlicht des Januar durch Bockenheim zu latschen. Ich erkunde das Viertel, finde heraus, wo ich hinkomme, wenn ich in diese oder jene Himmelsrichtung geradeausgehe. Ich bin scheu und verunsichert den Mitschülern gegenüber, erzähle ien paar Mädchen vorsichtig ein wenig über mich. Im Unterricht bin ich hellwach und aktiv, die Lehrer lieben mich. Ich bin eloquent und ordentlich. Auf meinen Collegeblock klebe ich stilvolle Bilder von stilvollen, ausgehungerten Models aus der Vogue. Ich wiege mich häufiger.
Der Zauber dieser drei Monate ist schwer zu beschreiben und von fragiler Schönheit.
Joy Division hören und mich endlich verstanden fühlen von Ian Curtis tieftrauriger, ausdrucksloser Stimme.
Wie ein Uhrwerk funktionieren und das Ticken im Inneren hören, man ist eine Zeitbombe, ein Zähler ohne Zünder (der Zünder wurde der Suizidversuch).
Immer weiter laufen laufen laufen.
Mich in philosophische Aufsätze vertiefel und dabei schwarzen Kaffe in rauen Mengen in meinen Schlund kippen, ich kam mir wie eine Studentin vor, ein cooles Gefühl. Es ist eine Oberstufenschule, die ich besuche, und alle sind so reif und leistungsorientiert. Ich muss lernen. Lesen. Ich lese Nietzsche, im Stehen, in der Bahn. Nabokov im Bett, die Beine hebend. 46,5 kg. Hey, das war ja ganz leicht. Und keiner merkt etwas.
Sie ist mein, diese Krankheit. Mein Geheimnis, mein Eigen, mein Schatz. (Gollum, Gollum)
Ich terffe J., wir gehen ins Theater zusammen. Ansonsten bin ich sehr einsam. Sehr, sehr einsam.
Ich verkrieche mich immer tiefer in das Geflecht aus Zahlen und Knochen und Luft dazwischen. Luft zwischen den Oberschenkeln, Luft um meine rote Nase, Luft zwischen den Zweigen meines kleinen Nestes.
Denn das ist sie, die Magersucht. Mein Nest. Es ist angenehm kuschelig, obwohl es doch aus scharfen Ziffern, Klingen und Knochen besteht. Es ist heimelig und so weit weg von allem Leben, dass es Schutz bietet. So weit hinaus möchte niemand, niemand wird mir hierher folgen. Niemand folgt mir, wenn ich das alte Schulgebäubde verlasse, um "einen Spaziergang" zu machen. Mein Nest strahlt etwas aus, das anderen Angst zu machen scheint, doch wenn man in seinem Inneren ist, gibt es nichts beängstigendes. Es gibt auch nichts Schönes, außer man steht auf rigide Selbstzerstörung. Es gibt keinen Schmerz, keine Träume, Pläne. Nur den einen - ein bisschen abnehmen. Und dem folgt man. Blind, Ohne zu zögern. Wenn das Nest der einzige Ort ist, an dem man sich sicher fühlt. Wenn der Hunger das einzige ist, das einen tröstet. Wenn man sich zwingt, durch die Kälte zu stapfen, ob wohl es tief im Hinterkopf ein zartes Klagen gibt, man solle besser ein heißes Bad nehmen und sich entspannen. Entspannen? Wozu? Man hat doch noch zu laufen heute. Das Essen zu verbrennen, das dürftige, anorektische, restriktive Essen.
Warum noch mal sehne ich mich nach dieser Zeit? Nach dem Nest?
46 kg. Ich bin dünn. Nicht so dünn, dass ich es gesehen hätte, aber dünn genug, dass ich es zu betonen versuche. Ich trage ausschließlich Strumpfhosen, kombiniert mit kurzen Röcken oder Shorts. Manchmal Skinny Jeans in Größe XS, aber das ist so kompliziert, immerhin wiege ich nicht mehr 40 kg und andere könnten meine Jeansbeine mit ihren Jeansbeinen vergleichen und dann denken - "Aha, das soll Magersucht sein? Ganz schön fett!".
Vielleicht ist das das einzige, wovor mich das Nest nicht schützt - die Blicke und Kommentare der anderen erreichen mich auch dort, hundert Meter über dem Meeresspiegel. Vielleicht sind sie neidisch, dass ich so hoch hinaus gekommen bin, mich allein körperlich so sehr vom "Normalen" entfernt habe. Aber das wage ich nicht zu glauben. Ich sehe Mitschülerinnen, die schlank, zum Teil sogar dünn sind, und hemmungslos Croissants in ihre hübschen Munder stopfen. Die sich zum Raclette verabreden, mich sogar einladen (ich sage, dass es nicht geht, weil das mit derm Essen bei mir ein bisschen kompliziert sei, ich war ja mal magersüchtig und so). Die sich in der Mittagspause einen Kakao gönnen und Schokoriegel knabbern, quatschen und lästern und Hausaufgaben erledigen, während ich wie ein Tiger durch die frostrige Kälte streife, immer auf der Hut, immer in Bewegung, immer rauchend, immer mit einem Tee oder Kaffee in der behandschuhten Hand, immer akkurat geschminkt und frisiert. Mein Gesicht ist noch sehr schmal, und ich entwickle eine Reihe von enganliegenden Flechtfrisuren, die meine Wangenknochen betonen. Ich trage einen alten, übergroßen Männercordmantel in beige, in dem ich noch verlorener und zierlicher aussehe. Ich beineide alle, die normal Essen, so wie ich es bis vor ein paar Monaten selbst getan habe. In der Klinik. Brötchen, knusprige Brötchen. Ein Schokoriegel und ein Stück Obst um drei Uhr. Ich nähere mich der 45 und mein Nest wird immer kleiner, scheint mich zu umschlingen. Ich kann kaum noch über den Rand aus Dezimalzahlen blicken. 45,8 kg, 45,6 kg.
Es ist ein morbider Zauber, ein morbides Glück. Ich esse doch noch sehr viel, dafür, dass ich untergewichtig bin, das freut mich irgendwo. Ich leiste etwas, oh ja. Ich lerne, seht ihr wie ich jeden morgen in die dunkle Umarmung des Morgens entschwinde, bei Minusgraden zur S-Bahn gehe, im Licht der Laternen die Schatten meiner Beine suche? Seht ihr, dass ich Nachhilfeunterricht gebe, dass ich früh schlafen gehe, dass ich so wahnsinnig folgsam um lieb und hilfsbereit bin? Ich bin zwanghaft, das ist die Wahrheit. Es läuft. Ich laufe. Ich laufe in den Tod. ---

Das war mein Frühjahr '11. Es war intensiv und zugleich schemenhaft wie ein Traum. Ich bin wieder in mein Nest geflüchtet, kurz nachdem ich es probeweise verlassen hatte. Hey, Sorry, draußen schien es mir doch ein wenig zu unsicher. Vier Monate Klinik und man ist wieder "da", wieder draußen, wieder im Leben? Oh no. Vier Monate Klinik und eine riesig schwere Elefantenangst, die einen langsam, aber sicher in das vertraute Nest zurückzwingt? Oh yes.
Danach wurde alle umso verwirrender und turbulenter.Vielleicht werde ich das ein anderes Mal beschreiben, für heute sind meine Worte erschöpft. Und jeder Leser, der sich durch dieses Gelabere durchgekämpft hat, sicherlich auch. Wer es schafft bekommt einen virtuellen Orden!
Alles Liebe!
Phoebe.




Freitag, 7. September 2012

60 kg Bilder.

Da ich wieder bei 60 kg stehe und meine mir eigens auferlegten Gebote nach wie vor gelten, kommen hier ein paar 60 kg Bilder:

Uh, mein Schatten hat endlos lange Beine...


Hm. Fette Oberschenkel und so.
Demnächst, wenn ich mal wieder Zeit habe (also nicht morgen, weil ich da arbeiten darf kann muss), schreibe ich etwas ausführlciher über mein letztes Therapiegespräch und die neuen Bilder, die ich für meine Krankheit gefunden habe...

Donnerstag, 6. September 2012

Betrachtungen.

Heute ist Tag zwei mit Almased, und ich muss sagen, klappt ganz gut!
Gestern früh wog ich 62 kg, werde mich nach vier - fünf Tagen Alsased "Reduktionsphase" wieder wiegen.
Es ist sehr praktikabel, weil ich sowieso im Moment gar keinen Bock habe, etwas zu essen (ich wüsste gar nicht, was). Also stürze ich mir so nen Shake runter. Schmeckt nach Mehl, egal. Sättigt gut und ich konnte gestern knapp ne Dreiviertelstunde laufen bei durchschnittlich 9 kmh ohne schlapp zu werden.
Das darf gerne so weitergehen!
  Therapie gestern war aufschlussreich, wir sprechen im Moment über meine frühere Kindheit. Über meine Mutter, zu der die sehr enge Bindung irgendwie im Alter von 2 oder 3 Jahren distanziert wurde bei gleichzeitigem Ausbruch meiner Angststörung ( = Zusammenhang). Über meinen Vater, der mein Aussehen immer seit ich denken kann kritisiert und veralbert hat ("Du siehst aus wie eine Eule, du brauchst keinen / einen BH, deine Zähne sind gelb, du bist ein Pickelmonster, du bist klapprig / fett geworden...").
  Bin danach zu meinem Café gegangen um meinen Chef zu fragen wann ich wieder arbeiten soll, traf dorft aber nur meine Kolleginnen. Sie waren sehr lieb und wir tranken einen Kaffee zusammen. Eine sprach mich auf meine Narben am Arm an (hatte ich erzählt, dass mein Chef mich neulich in einem Anflug von Galgenhumor gefragt hat, was das mit dem Pflaster am Unterarm soll? "War das ein Suizidversuch?" Haha. "Darüber würde ich an deiner Stelle keine Witze machen", "Hey, Phoebe, wir alten Gastronomen machen über alles Witze, nichts ist uns heilig. Gewöhn dich dran.").
Sie fragte, warum.
Ich sagte, naja, ich war lange krank. Und man muss sich selbst nur sehr hassen. Sie antwortete, es gäbe keinen Grund, mich zu hassen, ich sei so ein netter und hübscher Mensch und überhaupt.
Das ist so lieb, und doch so eine fette Lüge.
  Genau wie meine Mutter, die am Sonntag zu mir sagte, ich sehe süß aus. Klar, mir wilden, abstehenden Locken und ungeschminkt. Alles klar. Ich kann meine Haare nicht offen tragen, never ever.
  Genau wie T. der gerade seinen Rausch ausschläft und mir am Montag abend sagte, ich sei so dünn. Bin ich im falschen Film? 62 Kilo, FA-Bauch und ja, logo, ich bin voll dünn. Bis auf meine Beine, Arme, meinen Bauch, mein Gesicht und...

It's all perfect, sure.

Dienstag, 4. September 2012

Durchsichtig.

Mein Körper spinnt und mein Geist sowieso.
Ich könnte nur pennen, die ganze Zeit.
Alles flimmert und dröhnt und ich rede wie hinter Glas, will nur schlafen.
Ich hungere, fresse, hungere, schmeiße Abführmittel, lerne, schminke mich jeden Tag, als würde ich ausgehen.
Wofür?
Wofür kämpfen? Ich ekele mich so sehr vor mir selbst.
Heute morgen war mein Bauch seit tagelangem Fressen mal wieder flach.
Ich nahm einen Apfel mit und ging in die Stadt. Als meine Mutter nicht sofort auf meinen Anruf reagierte, kaufte ich eine Brezel (okay), danach ein Stückchen mit Himbeermarmelade (nicht gut), schließlich einen Carrot Cake bei Starbucks (kacke) und eine neue Packung Dulcolax (na prima).



Montag, 3. September 2012

Now it looks as if they're here to stay, oh I believe in yesteday.

Nachtrag zu gestern:


Wochenende bei meiner Family No° 2

Ich verließ T. inmitten eines endlosen Fresstages (Samstag) für meinen nächsten Versuch, eine Übernachtung bei meiner Familie auf die Reihe zu kriegen.
J. kam spontan vorbei, wir redeten über ihren Umzug nach Leipzig, und T.s Erpressungsversuch, er werde mich verlassen wenn ich weiter abnehmen würde. O-Ton von Freitagnacht.
Wir kochten uns Spaghetti mit schweinischer Tomatensauce (schweinisch im Sinne von reichhaltig – Fetakäsewürfel, angebratenes Gemüse, getrocknete Tomaten, Sugo, ein Schuss Sahne und viel Parmesan). Schauten uns Benjamin Buttom an und tranken dazu heiße Schokolade, knabberten die Kekse meiner Schwester und kuschelten uns auf das dunkelgrüne Ledersofa. Gegen ein Uhr fuhr sie nach Hause und ich fraß mich durch die verbliebene Nacht. Um kurz vor vier Uhr morgens gab es eine nette Doku über Martial Arts und Kung-Fu-Stile, zu der ich Schokocreme, eine Tüte Chips und Weißbrot verdrückte. Dann kamen meine Mutter und mein Stiefvater nach Hause. Du schläfst noch nicht? Nein. Ich vertrieb ein wenig Zeit mit tumblr und schaffte es immerhin, mich nicht aufzuschlitzen.
Ich bin fett, trallalla. Im Fitness wog ich Freitag noch 57,5 kg mit Klamotten, jetzt dürfte ich wieder über sechzig sein. Juhu. Ich hasse mich. Meine Schwester machte heute morgen dann nioch einen Riesenaufstand, weil ich sie bat meine Schulbücher abzugeben mit der Begründung, sie fahre doch sowieso jeden Tag dort hin. Haha. „Ich hasse das, die Bücher sind voll schwer und überhaupt, alle fragen mich nach dir, alle kennen mich weil sie dich kennen, ich trage immer diese Erbschuld, du bist doch die Schwester von...“ Ich antwortete, ich würde mich dafür entschuldigen, ihre Schwester zu sein. Yay. Familienstress. Meine Mutter mischte sich noch ein. Machte mich an, weil ich so merkwürdig laufen würde (ich versuchte beim Gehen meine Oberschenkel zu kaschieren, in dem ich auf den Ballen ging und ohne sie aneinander reiben zu lassen, weil mich das noch mehr fertig gemacht hätte.
Wochenende gescheitert.