Mittwoch, 27. Februar 2013

Lulu.

Ich möchte euch von einer Person erzählen, die mein Leben ungemein bereichert.
Sie ist anderthalb Köpfe kleiner als ich und hat rotblonde, dicke Haare, die bis zur Taille reichen. Ihre Augen sind grau-blau und ihr Gesicht offen und bildhübsch. Sie hat einen supernetten Freund, von dem sie sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Sie verschlingt Krimis und anspruchsvolle Romane und hört den ganzen Tag Harry-Potter-Hörbücher.
"Obwohl" sie erst sechzehn ist, hat sie einen eigenen Stil, kleidet sich in süße Blusen und Cordhosen oder Shorts, ihr Kleiderschrank ist mir lieber als mein eigener. Sie fährt jeden Tag nach Frankfurt auf meine "alte" Schule, wo sie beliebt und erfolgreich ist, die Isreal- und die Philosophie-AG freiwillig besucht und in einer netten, links-alternativen-Szene herumschwirrt.
Sie hatte schon immer die Gabe, geduldig zuhören tzu können und scheut es nie, ihre Meinung kundzutun (auch zu Themen wie meiner Essstörung oder T., wobei es immer wieder erstaunlich ist wie reif und differenziert sie mit dieser Thematik umgeht).
Ich bin häufig ein wenig neidisch auf sie, auch wenn ich ihr alles von Herzen gönne. Dennoch wünsche ich mir, wie sie einfach ich selbst zu sein, "dicke" Beine zu haben und daraus kein Lebenstrauma zu machen, sondern mich hübsch und wertvoll zu fühlen. Sie hat so viele Freunde (fast mehr männliche als weibliche) und schafft es irgendwie, die Balance zwischen ihren Kontakten und Zeit für sich selbst zu finden. In dieser "freien" Zeit liegt sie in ihrem "Schöner Wohnen"-Zimmer, futtert Schokolade oder Kekse und liest. Oder sie hängt mit mir rum, wir quatschen und blättern Modemagazine durch. Manchmal übernachte ich auch bei ihr, wenn ich Angst habe, in meinem eigenen Zimmer zu schlafen. Dann ist sie die große Schwester, welche, wenn sie um 1:00 nachts von der Arbeit (Theke in der Kneipe) zurückkommt, vorsichtig und leise die Heizung runterdreht und sich neben mich kuschelt. Sie gibt zwar wahnsinnig viel Geld für Kleidung aus, schafft es aber dennoch, zu sparen und mit ihrer Clique zum Hurricane-Festival zu fahren.
Wenn ich traurig bin, macht sie mir Tee und setzt sich in die Kälte zu mir, wenn ich bei einer Zigarette auf dem Balkon stehe und mich bemitleide. Sie legt eine DVD ein, Scrubs oder SATC, und lacht unbeschwert.
Als Kinder haben wir uns viel gestritten, heute passiert das nur noch in seltenen Momenten, und meistens liegt der Auslöser bei mir. Oder weil sie in der ganzen Wohnung eine Spur aus Kaffeetassen hinterlässt...
Aber die meiste Zeit sind wir ein Team, rollen mit den Augen über unsere Mutter, helfen uns gegenseitig bei Schulsachen und bürsten uns die Haare wie kleine Prinzessinnen.
Sie hat immer Zeit für mich.
Meine Schwester kann wahnsinnig gut und kreativ kochen und backen. Vor ihre Sprunggelenksverletzung war sie Handballspielerin in der Hessen-Auswahl, heute ist sie -nach eigenen Angaben- Couch-Potatoe. Obwohl das nicht stimmt: Sie macht ihren Mofa-Führerschein, ist Rettungssanitäterin und gut in Mathe.
Wenn ich sie nicht so gut kennen würde, könnte ich denken, dass sie perfekt ist. Hübsch, erfolgreich, beliebt. Nur weil sie nicht mit denselben seelischen Schäden herumläuft wie ich, heißt das lange nicht, dass sie keine Probleme hat. Die hat sie. Und ich würde mein Leben geben, um zu verhindern, dass es die selben werden wie meine. Dass ihr niemand wehtut. Und sie sich selbst am wenigsten.
Weil ich sie über alles liebe, meine Chaosnudel. Meine Freundin. Mein Vorbild. Meine kleine, große Schwester.
Meine Lulu.

Sonntag, 24. Februar 2013

Titellos.

Getrieben und hektisch. Ich räume auf, lerne wie bekloppt, mache Gymnastik, hungere, renne mit meiner Schwester durch Frankfurt (ohne etwas zu kaufen), durchkämme Jobbörsen, schmeiße Dinge weg, putze, verbanne den Fernseher aus meinem Leben. Führe lange Gespräche mit meiner Mutter, meiner Schwester, versuche "nützlich" zu sein, gehe Einkaufen, erstelle lange Wunschlisten auf Amazon. Mein Handy ignoriere ich, es liegt irgendwo versteckt in meinem Zimmer.

Um nicht zu spüren, wie sehr ER fehlt.
Um nicht seine Stimme hören zu müssen.
Um nicht seine SMS lesen zu müssen (warum habe ich es getan?) - Ich bring mich um.

Aber du hast mich doch rausgeschmissen!

Am ersten Tag nur Tränen, Krämpfe, Angst.
Gestern Familienausflug zu Opa, Kreutzworträtsel, Gedichjtinterpretationen, Sehnsucht.
Heute nur Leere und Trauer, die ich mit Aktionismus zu übertünchen versuche.
Die ganze Zeit: Selbsthass, Scham, Vorwürfe. Und eine wundervolle, viel zu wundervolle Familie.


Montag, 18. Februar 2013

Masterplan.

Es ist gar nicht so sehr das „dünn“-sein, das mich reizt.
Ganz im Gegenteil, es ist nervenaufreibend, von jedem angesprochen zu werden auf den vermeintlich eklatanten Gewichtsverlust; die sorgenvollen Blicke, die wütenden Äußerungen ertragen zu müssen und vor allem das schlechte Gewissen denen gegenüber, die ich liebe und denen offenbar viel an meinem Gesundheitszustand liegt.
Nicht, dass es mir persönlich nicht gefällt, dünner zu sein – ich finde es fabelhaft. Das Wahnsinnsgefühl, beim Gehen nicht die Oberschenkel aneinander reiben zu spüren, der Stolz, in Jeans und T-Shirt gut auszusehen ohne den Bauch einziehen und die Beine mit langen Cardigans verhüllen zu müssen. Es macht mir sogar Spaß, mich absichtlich „dicker“ wirken zu lassen indem ich unvorteilhafte Sachen trage.
Der große Reiz ist allerdings das Hungern selbst. Leer zu sein, Schwindel und geschärfte Wahrnehmung, sich zu kasteien.
Ich weiß, wer das liest mag denken „Was will sie eigentlich, sie hungert jetzt gerade mal zwei Wochen“, aber ich habe extrem viel abgenommen in der Zeit, viel mehr als damals, wahrscheinlich weil ich meinen Körper jetzt besser kenne.
Ich weiß, wer das liest mag wütend werden (und ich kann es keinem Leser verdenken) dass ich mich freiwillig in diese Hölle zurückbegebe.
Irgendwo weiß ich auch, dass es idiotischer Scheißmist ist, was ich mache. Aber hält mich das davon ab? Nein.
Mein Plan sieht wie folgend aus: Noch ein paar Kilos verlieren, bis ich bei 50 kg bin, und dann langsam wieder mehr essen, sodass mein Stoffwechsel sich umstellen kann (momentan ist er auf maximal 300 kcal am Tag geeicht, was ich zwar regelmäßig unter größter Mühe für einen Tag auf 500 steigere, um ihm „Anreize“ zu geben). Dann würde ich ein bisschen zunehmen, sagen wir bis 52/53 kg, und dieses Gewicht dann halten. Und das möchte ich wirklich!
Natürlich finde ich mich „schöner“ mit weit unter 45 kg, aber wenn ich etwas gelernt habe in den vergangenen Jahren dann ist es das: Was ich schön finde, interessiert eh kein Schwein und treibt mein Umfeld in den Wahnsinn. Was ich vermeiden möchte, wegen mir hat meine Familie (und hat T.) schon genug gelitten.
Aber so ein hübscher BMI von 17,2; damit könnte ich mich abfinden. Ich würde vorsichtig und kontrolliert gesunde und auch ungesunde Dinge essen, etwa 1200-1400 kcal am Tag (also etwas weniger als den Grundumsatz, aber dafür viel Fett-Kalorien wie Butter, Öl und Schokolade) und wäre dünn, aber nicht mager.
Ich wäre (und bin es jetzt schon) um einiges selbstbewusster im Auftreten. Mein Gesicht ist zierlicher und damit erträglicher. Meine Größe ist nicht so schwer zu ertragen, wenn ich dünn bin.

All das ist krank, aber realistisch zu erreichen und gibt mir Kraft für die alltäglichen Quälereien.

Donnerstag, 14. Februar 2013

Sonntag, 10. Februar 2013

Kalte Luft (Trigger?).

Ich laufe und laufe und bewege mich nicht von der Stelle.
Die Luft in meinem Kopf ist diesig und kalt.
Meine Mutter sagt: Ich sehe, dass du schon wieder so dünn bist, Maus. Ich mache mir Sorgen.
T. sagt: Du wiegst doch keine 57 kg mehr?!
Ich sage: Leute, schaut mich an. Ich bin nicht dünn. Und ich bin zwanzig. Und ein Arschloch.
Meine Unterarme sind blutig, rau und voller Rillen. Das Blut will gar nicht mehr trocknen.
Egal, scheißegal.
Denn: Er wird mir nie wieder vertrauen, ich schlage mit Fäusten auf meinen Kopf ein bis ich ein Veilchen habe.
Er sagt: Ich weiß, dass du nicht deine Freundin in Leipzig besuchen willst. Du triffst dich dort mit S. oder R. und willst dich von denen durchficken lassen.
Ich schreie und weine, er hat keinen blassen Schimmer wie unendlich weit ein solcher Gedanke von meinem Zustand entfernt ist. Ich sage, dass ich keinen Kontakt mehr mit diesen Männern habe, was zu 100% der Wahrheit entspricht. Aber er glaubt mir nicht. Ich sage, dann fahre ich nicht nach Leipzig. Er sagt, klar, weil du dich mit diesem Idioten treffen wolltest. Und selbst wenn nicht, wirst du dort jemanden kennenlernen und mich betrügen und verlassen.
Nein.
Nein, niemals, ich will doch nur ihre Wohnung sehen, ihre erste eigene Wohnung und sie ist meine einzige und beste Freundin und-
Wenn das rauskommt, brüllt er, dass du mich wieder verarschst, dann sehen wir uns nie wieder.
Ich heule.
Er glaubt mir nicht, meint, er hätte in meinen Augen gesehen dass ich dort jemanden treffen wollte, um fremdzugehen.
Meine Stimme überschlägt sich: Ich bringe mich jetzt um, wenn du das denkst. Ich schneide meine Scheiß-Brüste ab und meine Klitoris und dann werden wir ja sehen, ob ich Sex haben will.
Im Badezimmer schließe ich mich ein und versenke erstmal Raierklingen in meinem linken Handgelenk.
Es blutet immer noch.

Mageninhalt: 30g Almased. Geiles Leben, echt.

Freitag, 8. Februar 2013

BMI 18,9 und Hösengrößen.

Ihr seid so wundervoll, ihr habt mich über jene Nacht gerettet.
Danke für die lieben Kommentare. Echt.

Mein Freund ist seit gestern nüchtern und absolut nicht aggressiv, unfair oder ähnliches.
Ich hasse den Alkohol.

Anderers Thema:

Nur noch 57 kg. Komischerweise sieht man das bei mir vor allem am Oberkörper (inklusive Arme). War gestern bei H&M und habe eine Skinny-Hose anprobiert, und die war in 38 (!) zu eng. Ich habe sie zwar zubekommen, aber es sah schrecklich aus.
Geht es euch auch so bei H&M Größen? Dass man obenrum XS trägt und untenrum... 40 braucht?!
Meine Beine sind schlank / dünn bis zu dem Punkt, der von kurzen Röcken verdeckt wird. Alles darüber ist fett und schwabbelig, was komischerweise sogar bei meinem niedrigsten Gewicht noch "sichtbar" für mich war - die kleinste Hose die ich je anhatte war eine Kinder-176, die Frauen-Jeans bei H&M habe ich nie in den kleinen Größen tragen können. Logik?

Ist zufällig eine von euch bei fddb angemeldet? Ich bin seit drei Tagen da. Name: Skäck. Wie die IKEA Müslischalen.

Dienstag, 5. Februar 2013

Beoncés Oberschenkel, mein Freund und ich.

"Wieso stehst du nackt vor mir?"
Weil ich dir gefallen will. Weil ich es richtig machen will. Weiß Gott warum, es war eine Schnapsidee.
"Hast du dicke Oberschenkel?"
"Ja, die habe ich."
(...) Ich ziehe mich wieder an.

Eine halbe Stunde später:
"Warum hast du das vorhin eigentlich gesagt? Das mit meinen Beinen."
"Weil sie dick sind."
"Ja, das weiß ich selbst, das musst du mir wirklich nicht sagen. Ehrlich."
"Was ist dein Problem damit? Du bist eben eine Frau und hast stämmige Beine. Ja und? Sie sind immer noch schlanker als die von Beoncé, du weißt doch, beim Super Bowl..."
"Das ist auch keine große Leistung. Ich schätze mal 50% der Frauen haben schlankere Oberschenkel als Beoncé. Das ist es nicht. Aber du sollst wissen dass ich jeden Tag darum kämpfe, wieder abzunehmen, und..."
"Du bist schön so, wie du bist. Du bist eben eine Frau! Hör doch auf mit dem Selbstmitleid."
"...deine blöde Heather Thomas hat genauso dicke Beine wie ich. Aber da sagst du nichts, das ist dann eine perfekte Frau. Ich versteh dich einfach nicht."
"Bilde dir das nicht ein, die hat viel schlankere Oberschenkel. Ich bin es leid, dir immer zu sagen dass du dünn wärst. Du bist schlank, aber du hast große Schenkel und einen großen Po."
"Erstens nein, das kann ich beurteilen. Und zweitens: das weiß ich doch, es tut mir nur weh, es immer wieder zu hören."
"Soll ich lügen?"
"Nein, verdammt. Du sollst gar nichts dazu sagen. Ich finde es nur taktlos und nicht angebracht, mir das ins Gesicht zu schmeißen wenn ich mich - und du weißt dass mir das schwer fällt - so präsentiere. Glaubst du irgendeine Frau auf der Welt zieht sich vor ihrem Freund aus und wünscht sich, dass er sie auf ihre Problemzonen aufmerksam macht?"
"Nein."
"Das ist alles. Okay? Ich bin nicht sauer auf dich, ich will nur..."

(...) Höhepunkt der Konversation:
"Du machst rein gar nichts. Du liegst nur da, aber es ist für die Welt so irrelevant, ob du existierst oder nicht.
Du manipulierst alle, alles. Die Therapien sind bei dir doch reine Geldverschwendung. Du lamentierst über deinen Körper, gibst mein Geld aus und das von deiner Mutter. Du bist ein Stück Fleisch. Eine Schlampe.
Ich kenne dich seit zwei Jahren und du bist keinen einzigen Schritt weiter. Überhaupt nicht. Du kannst dich nur noch umbringen, und das würde auch nichts ändern. Du bist sowieso in meinem Kopf, ob du da bist oder nicht. Nimm dir das Leben. Ehrlich. Aber nicht mehr dieses scheiß Pulsader-Aufschneiden und dann doch nicht sterben, und vor allem nicht hier."


LOSE WEIGHT OR DIE.







Sonntag, 3. Februar 2013

C & S.

Gestern im Zoo gab es eine zugekleisterte, Trenchcoat tragende, auftoupierte dreißig-Jährige, die ihrem hyperattraktiven Lebensabschnittsgefährten und ihrem hyperaktiven Quasi-Stiefsohn mit verkniffenem Lächeln hinterhertänzelte.
Quietschige Stimme. Anbiedernde Blicke. Dumme Kommentare.
Wie grottenpeinlich. Wie kann man sich so darstellen?
Die scheußliche Frau war ich, über Nacht um zehn Jahre gealtert.

Ob dieser Peinlichkeit und ihres wogenden Selbsthasses kaufte sich jene merkwürdige Frau ein paar Stunden später eine Riesenpackung Merci und Ferrero-Küsschen, ganz besessen von dem Gedanken, ein Fressgelage "ohne Reue" zu veranstalten.
Sie nahm also einen großen Plastikbecher in die eine Hand, während die andere sich durch die knisternden Schoko-Papierchen kämpfte und die Augen starr auf eine Frankfurter Rundschau gerichtet waren.
Prozedere?
Ich will nicht so tun, als hätte ich den Spaß erfunden, auch nicht leugnen, dass mich erst meine ausgiebigen Recherchen zum Thema Essanfälle auf diese geniale und unappetitliche Idee brachten.
Leute, es ist wirklich eklig.
Aber man hat Schokolade im Mund, viel, viel Schokolade, und dann landet sie mit ordentlich viel Speichel in besagtem Plastikbecher! Lecker! Der Punkt ist - das Völlegefühl bleibt aus. Und hat man sich einmal überwunden, geht es wie von selbst. Funktioniert im Übrigen auch hervorragend mit Butterbrötchen, Erdnüssen, Chips, Popcorn, Waffeln, Nudeln oder ähnlichem. Wichtig ist nur eine gewisse "Festigkeit" der Nahrung.
Halten wir fest: Ich bin echt ein Schwein.
Aber dieses Gefühl danach oder währenddessen, das ist unendlich erleichternd und - Achtung Hypothese - sicherlich vergleichbar mit dem Gefühl, eine große Menge ungesunde Nahrung kopfüber in die Toilette zu befördern. Oder in eine Mülltüte, was ja gar nicht mehr so weit von dem entfernt ist, was ich da praktiziere.

Entschuldigt bitte diesen Ekel-Post, aber das gehört dazu.
Leider.