Mittwoch, 29. Mai 2013

Doch.

In you I see dirty
In you I count stars
In you I feel so pretty
In you I taste god
In you I feel so hungry
In you I crash cars
We must never be apart-

(Smashing Pumpking - Ava Adore)



Es ist großartig und schauerhaft und warm. Alles leuchtet, der Regen und die Netzhaut. Ich schlafe tagsüber, wühle mich durch spinnenhafte Träume und halbseidene Gespräche mit meiner Schwester ("Danke für den Tabak"); ich fahre in Zeitlupe mit meiner Mutter zur Therapie und lasse in den Sitzungen Seifenblasen aufsteigen und bersten, nicht ohne Tränen zu vergießen und unvermittelt breit zu grinsen.
In der Uni, Gasthören in Pennys wirtschaftsgeographischer Vorlesung über Innovation und Invention, vermale ich unleserlich krakelige Buchstabenkombinationen zu Sinnzusammenhängen und genieße das Kribbeln im Gehirn - wie schön Lernen doch sein kann, wie befriedigend Studieren sein muss. Wir fahren zurück, Kaffee auf ihrem Sonnenbalkon, und assoziieren einen halben Tag lang. Ich bin sehr glücklich, sie nun in meinem Leben zu wissen, kann auf ihre klugen Beobachtungen und ihr lautes Lachen bauen, wir helfen einander. Die Angst, dass binnen eines Wimpernschlages zwischenmenschliche Kartenhäuser laut krachend in sich zusammenfallen könnten - sie ist versiegt. Menschen sind keine Karten mehr, sondern Grashalme im Wind.
Stunden später liege ich auf Lennards Schulter und fühle mich frei. Das metallene Band um meine Brust ist gelockert, der Atmen fließt wie seine Stimme in die Nacht. "Wie geht es dir jetzt?", fragt er vorsichtig. "Ich bin so erfüllt von dem Gefühl, erkannt zu werden und gleichzeitig zu begreifen, mich und dich und uns. Unendlich glücklich, das bin ich". Ich drehe mich zur Balkontür und spüre seinen Atem in meinem Nacken, seinen Körper in meinem Rücken. Erschaudern, zittriges, stolperndes Herz, fast schon zu viel der Nähe, so unerträglich klar ist der Moment. In meinem Kopf ein Wirbel von Farben und Eindrücken und die Erfahrung seiner Hände auf meiner Haut. Es kann ungemein verbindend sein, Sex mit dem Gehirn zu haben.
Die Zeit schlendert und bleibt hin und wieder stehen, so ergiebig und wohlwollend wie sie es nur in diesen magischen Nächten tut. Irgendwann ergreift der Körper das Wort und kommuniziert jene Phänomene, die mit Sprache allein nicht zu erfassen sind: Nervenenden, Elektrizität, extatische Zuckungen, das Rascheln der Laken, hedonistisches Ultimatum.
Heute morgen dann registriere ich, dass es mich trägt. 







Mittwoch, 22. Mai 2013

Fluchtpunkt.

Schokolade (zwei Tafeln), Milchkaffee mit Sojamilch (2 Liter), Meeresfrüchte (aus Nougat, 1 Packung à 250g), Müsli (100g), Pistazien (halbe Tüte), Salat mit gebratenem Tofu (lecker!), Erdbeeren (Hand voll), Ciabatta mit Butter und Käse (zu viel), Brot (roh), Fleischsalat (pur), eine Tüte gesalzene Mandeln. Das war noch ein "guter" Tag.

Mir fehlt es an Körperspannung, ich fühle mich wie ein schlaksiger Schrat von dreizehn Jahren mit unproportionierten Fettpölsterchen an Armen, Beinen, Hüften und Bauch. Das Gesicht nicht zu vergessen.
Ich krümme den Nacken und verschwinde in Opas grauem Pullover, quadratisch praktisch gut kompakt.
Innen hält sich die Waage: Sicherheit und Abwesenheit, totale Ambivalenz. Pläne, Konzentration und Funken - Selbsthass, Angst und Lethargie. Depression. Merke: Ausgeglichen ungleich gut, wenn man es mathematisch aufzieht.
Jeder weitere Atemzug macht die Luft schwerer. Der Puls klingelt in den Ohren. Ich öffne den Mund, um meiner Mutter zu antworten, aber da kommt nichts. Keine Stimme und keine Bewegung.
Nicht mal Lust, eine Zigarette zu rauchen, gar nichts, nothing, rien, niente.
Alles ist so flach und eben. Ich bin nicht zu erreichen, wenn ich hier bin.
Gleichzeitig sehne ich mich danach, erreicht zu werden, auch wenn ich weiß dass es unmöglich ist.
Ich bin der Punkt am Horizont. Ich bin der tote Affe im Sand. Ich bin in meinem schäbigen Gehirn gefangen.
In die Schlafstarre mit diesem grotesken Körper!
Worte heraufbeschwören und schlucken, Berührpunkte erinnern (auch wenn man nichts fühlt außer dem chaotischen Grauen eines post-katastrophalen Szenarios aus Sicht der Gegner).

Samstag, 18. Mai 2013

Wenn drei Feuerzeuge neben dir liegen und keines beim letzten Versuch eine Flamme spendet, die groß genug wäre um damit Brand zu stiften. Teil II

Nach dem Telefonat mit Lennard:
Ich betrachte fasziniert meine untoten, verheulten Augen im Spiegel und atme tief aus. Dann gehe ich in die Küche, um in Zeitlupe Kaffee zu kochen. Ich klaue ein Zigarillo aus dem Pall Mall-Päckchen meines Stiefvaters und stoße die Balkontür auf. Der Kontrast zu meinem kühlen, abgedunkelten Zimmer erschlägt mich: Grün! Sonne! Ohrenbetäubendes Vogelzwitzschern! Zarter Wind um die zittrigen Beine in hässlichen Jeansshorts.
Ich stelle meinen Kaffee auf einen Blumentopf und verbrauche fünf Streichhölzer, um mir Feuer zu geben.
In der Balkontür spiegelt sich eine durchgeknallte Frau mit roter Nase und ungekämmtem Haar, ich winke ihr gedankenverloren. In ein paar Monaten werden wir darüber lachen, hat er gesagt, wir beide zusammen.
Die Zeit rinnt. Plötzlich wieder lebendig, rauche ich auf Lunge.
Die Maxime meines Lebens sollte lauten: Weiter denken als bis zur nächsten Zigarette. Damit wäre schon einiges gewonnen. Ich bin extrem talentiert darin, gute Absichten in untragbare Konsequenzen zu transformieren, das war ich schon immer. Fallbeispiel der Stunde: Spontaner Kauf eines Festivaltickets ohne vorher Rücksprache zu halten mit denen, die involviert sind: Wie hast du dir das vorgestellt? Gar nicht. Pathologischer Aktionismus. Vor den Kopf gestoßen... vor vollendete Tatsachen gestellt... wusste nicht, wie ich reagieren sollte... du wolltest mir und dir eine Freude machen, ich weiß, aber das war ein bisschen unüberlegt... Das war so nicht geplant, ehrlich gesagt war es gar nicht geplant. Ich weiß.
Zwischen meinen Schluchzern bringt er mich wieder zum Lächeln, mein Handy tropft, ich wische mit dem Bettbezug über mein fleckiges Gesicht. Ein minimaler Anklang von Zuversicht, ein nuancierter Unterton, willkommen in unserer kleinen Stadt...


Ich bin jetzt ruhiger und könnte drei Stunden schlafen.

Wenn drei Feuerzeuge neben dir liegen und keines beim letzten Versuch eine Flamme spendet, die groß genug wäre um damit Brand zu stiften.

Benutzte Müslischalen und Kaffeetassen, Tabakkrümel, Bücherberge und aufgeschlagene Zeitungen voller rätselhafter Codes, ein Haufen dreckiger Wäsche, Knoten in der Brust, Kontoauszüge, ein verhasstes Mobiltelefon und ich, inmitten meiner Schatten von grau zu schwarz zu unsichtbar.
Mein Chaos ist perfekt durchchoreographiert, es beginnt bei meinen klebrigen Fingern und endet zwischen Zwerchfell und geteerten Lungenflügeln in einem zitternden, gefräßigen Schlund: Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich Angst habe. Kann gar nicht so viel weinen, wie ich Schmerzen verspüre.
Ja, das ist wehleidig und ich bin es zumindest meiner Therapeutin schuldig (wenn nicht sogar meiner Mutter), strategisch vorzugehen, es ist Krieg. Aber wo anfangen?
Wenn man unendlich ist, gibt es keine körperlichen Grenzen und keine metaphysichen, der Tod lümmelt auf dem Teppich vor der Glotze und sortiert Rasierklingen, sein Blick ist weit und seine Finger aschgrau. Er nickt mir unmerklich zu - Guten Morgen, Frau R., ich wollte Ihnen nur mittteilen, dass ich bereit bin. Bereit, wenn Sie es sind, Clarice.
Wer sitzt daneben? Zwei Silhoutten meiner Selbst, eine ausgezehrte Kreatur ohne sekundäre Geschlechtsmerkmale und ein Koloss mit Schokoladenmund. Seid ihr die Optionen? Ich suche den Raum ab nach einem vernünftigen Selbstbild, vielleicht Phoebe mit Abiturzeugnis oder Phoebe in einem Auto oder Phoebe Hand in Hand mit einem Menschen, der sie glücklich macht. Das sprengt offenbar meine Phantasie, wir sind immer noch alleine, meine Monster und ich.
Der Tod bedient sich bei meinem Tabak.
Die ausgezehrte Kreatur kokst und wippt manisch mit dem Fuß.
Der Koloss schlägt rhytmisch den breiigen Schädel gegen die Dachschräge.
Gute Gastgeberin, die ich sein möchte, bleibe ich passiv und lausche.
Flugzeuge im Bauch und über meinem Fenster, jemand kehrt im Hof. Ich schwitze. Mein Gesicht ist taub und aufgedunsen, alle Türen offen rast das Herz den Gedanken nach und pumpt und pumpt.
Meine Schuldgefühle bringen mich um den Verstand: Nie wieder jemanden vor den Kopf stoßen, nie wieder jemanden fordern, nie wieder fett sein. Ich denke über Gebete nach und über Filmsequenzen (Denn sie wissen nicht, was sie tun; The Dark Knight). Alles so weit weg, mein Körper zu eng und zu groß, meine Augen zu blind, ich hasse meinen Vater und meine Schwäche mit verzweifelter Intensität.
Frau L. sagt, da ist ein Überlebenstrieb. Wo zur Hölle ist mein Geld? Wo ist meine Selbstachtung (rhetorische Frage, klar)?
J. kommt später auf einen Kaffee vorbei und ich weiß noch nicht, welche Haut ich tragen werde um ihr die Milch für den Kaffee aufzuschäumen. Die Furcht ist meine Glasglocke und mein Segelboot.
Einmal nur in einer Umarmung ankommen!

Freitag, 17. Mai 2013

Hasenherz.

Die Hochs sind zu hoch, die Tiefs zu tief.
Wobei die Tiefs überwiegen: Kilmometer für Kilometer in Richtung Erdkern sinken und die Frage, wozu frieren, wozu Worten Atem geben, wozu?
Die Weltenschwere, nennst du das. Und sagst, dass das kleine Glück immerzu wartet.


Ich hasse mich so sehr.




Radiohead - How To Disappear Completely
Iron and Wine - Waiting For A Superman
Tocotronic - Die Neue Seltsamkeit

Dienstag, 14. Mai 2013

50 gute Gründe, sich 10.000 kcal reinzupfeifen.


1. Mir geht's zu gut.
2. Meine Mutter hat eingekauft.
3. Ich bin alleine zu Hause.
4. Mir geht's dreckig.
5. Ich bin ohnehin satt bis übersättigt.
6. Hunger.
7. Hunger (seelischer Natur).
8. Ich war nicht im Fitnessstudio.
9. Langeweile.
10. Zu viel Stress.
11. Meine Mutter hat gekocht.
12. Jemand sagt mir, ich sei "dünn".
13. Jemand sagt mir, ich sei "fett".
14. Da sind Reste im Kühlschrank.
15. Ich war im Fitnessstudio.
16. Angst.
17. Ich fühle mich unverstanden.
18. Meine Beine sehen verdammt fett aus.
19. Jemand gibt mir etwas zu Essen.
20. Ich habe Geld.
21. Mein Bauch ist schön flach / hässlich aufgebläht.
22. Es ist vier Uhr morgens.
23. Da gibt es ja einen Süßigkeitenautomaten!
24. Ich wiege mich.
25. In unserer Wohnung gibt es ja Schokolade!
26. Ich komme gerade von der Therapie.
27. Ich muss Zeit totschlagen, warte auf etwas bestimmtes.
28. Nervosität.
29. Nihilismus.
30. Ich hasse mich, yippieh yeah!
31. Lulu backt Kuchen.
32. Wenn ich tot bin, ist es auch egal wie viel in meinem Magen war, oder?
33. Ich bin pleite.
34. Verzweiflung.
35. Wenn ich eigentlich gerne schreien möchte.
36. Das Buch / der Film ist zu Ende.
37. Gefühl innerer Leere.
38. Ich habe zugenommen.
39. Jemand, den ich kenne, hat abgenommen.
40. Alle glotzen mich an.
41. Herzschmerz.
42. Habe keine Drogen zur Hand.
43. Alles ist perfekt.
44. Ich fühle mich ungeliebt.
45. Autosuggestion: Ich werde schon aufhören können (denkste!).
46. Mir ist eh alles scheißegal.
47. Irgendwer sagt, ich solle mehr essen.
48. Flashbacks.
49. Ich sehe in den Spiegel.
50. Blutzuckerabfall.





Mag noch jemand etwas hinzufügen?


Montag, 13. Mai 2013

"Und sind wir umstellt von unserem Scheitern, dann bauen wir auf Räuberleitern."



Der Druck fällt, Brust schwingt wieder federleicht,
kein Monster mehr, das aus dem Nebel steigt,
mehr Monster werden kommen, doch sie kommen
erst mit dem Dunst raus am Abend.
- Und sollen sie doch kommen, denn wenn sie komm’,
werd’ ich alle erschlagen.

(Prinz Pi - Unser Platz
)




Abgesehen von den obligatorischen Geldsorgen geht es mir wirklich gut. Amen.
Zusammenfassung der letzten fünf Tage in Stichworten: Aufbäumen der anorektischen Gedanken in der Therapie - Fressgelage extrem - Sehnsucht - spontaner Nachmittag mit Penny auf ihrem Balkon - interpersonelle Konflikte dekonstruieren - Bowling mit den Leuten ihres Freundes - Vorstellungsgespräch am Samstagvormittag bei einer Nachhilfeschule um die Ecke - wunderschön entspannter Nachmittag mit Lennard inklusive ernstem und aufrichtigem "Beziehungsgespräch" - Spieleabend zu viert ("Das Spiel dauert neunzig Minuten und am Ende gewinnt immer Penny") - zwei professionell gebaute Joints um halb zwei Uhr morgens - die Musik unserer Eltern und endlose Lachflashs - der beste Sex meines bisherigen Lebens - unterbrochen von einem plötzlichen Übelkeitsanfall seinerseits (ich dachte, so etwas passiert nur in Filmen) - Zigarette nackt auf dem Balkon - Sorge - Besserung - gemeinsames, zugedröhntes Einschlafen - gemeinsames, zugedröhnt-verkatertes Aufstehen um halb neun morgens - Knack-und-Back-Brötchen mit Erdnussbutter und Marmelade - Sims-City-Let's-Play schauen und im gleichen Rhytmus atmen - übereinander herfallen - vollends erfüllt und high ins Auto meiner Mutter springen und zu meinem Opa fahren - unterwegs mit Lulu deutschen Hip-Hop hören (Käptn Peng, Prinz Pi, Casper) - Opa aufpicken und zusammen essen gehen - in einer wunderschönen Altstadt im Odenwald das einzige und ekelhafte vegetarische Gericht bestellen (zerkochtes, ungesalzenes Gemüse mit Sauce Hollandaise) - das "Grab" meiner Oma besuchen, welches eigentlich ein Baum ist, vor dem ihre Urne vergraben wurde - Kakao trinken und durch den Wald tanzen - eine Kinderschaukel, losgelöstes Lachen, Erinnerungen leben, Glück - auf der Rückfahrt im Auto Radiohead hören und einschlafen - zu Hause weiterpennen - die Nacht mit klugen Texten, wilden Theorien und Pornos verbringen - Montagfrüh mit Lulu Kaffee trinken - Fitnesstudio: 1000 kcal verbrennen - philosophische Texte im Bus lesen - zärtliche SMS mit Lennard austauschen - die Sparkasse hassen, welche mein Geld zurückhält - von Mama Strumpfhosen gekauft bekommen - für Lulu vegane Zucchini-Spaghettie-Carbonara kochen - mit ihm am Telefon Alltagsgeschichten austauschen und verliebt sein in eine dunkle Stimme Ohr Herz und Kopf - die Glotze anmachen und den Tag mit kritischen Dokus und Frank Plasberg ausklingen lassen





Ich sitze hier seit einer Stunde in Lulus tollsten Mantel gehüllt (Raucherzimmer wollen gut gelüftet sein) und pulsiere vor Lebenswut. Im positivsten Sinne. Lernen, Abnehmen, Arbeiten, unter Menschen sein statt unter Geistern.

Donnerstag, 9. Mai 2013

Die Zigarette danach.

Wohliges Beben im Körper, von den Zehen bis in die Haarspitzen. Ich trage sein Superman-Shirt, er graue Pantys.
"Hach..."
"Ja."
Pause.
Debiles Grinsen.
"Du bist... so schön, Lennard."
"Du bist wunderschön. So wie du bist, jetzt in diesem Moment und davor und danach."
"Ich weine gleich, im Ernst."
"Hey. Es ist alles gut."
"Ja. Ja, das ist es."
"Schöner Geburtstag... wirklich."
"Alter Mann!"
Kleine Küsse, Asche fällt auf den Parkettboden.
Ich denke weiter.
Er beißt zärtlich in meine Nase, Lippen flattern gegen Lider, wir treffen uns an der Stirn, Zyklopenstyle.
Ich denke, dass ich zu fett bin und hässlich und ein widerwärtiger Mensch, nur nicht in diesem Moment.
Sendepause. Es ist alles richtig. Meine destruktive Stimme liegt geknebelt und gefesselt im Kofferraum seines silbernen Benz.
Wir halten uns minutenlang im Arm und lauschen dem Glück.



Dienstag, 7. Mai 2013

But that's what happens when it's you who's standing in the path of a ligthning bolt.

Jake Bugg - Lightning Bolt

Ich bin so unendlich.
Der Tag ist grau, die Luft frisch gewaschen und die Zukunft verheißungsvoll.
Lass es einfach so weitergehen, so wie heute, gestern und die Tage davor, immer weiter.






Morning, it's another pure grey morning
Don't know what the day is holding
When I get uptight
And I walk right into the path of a lightning bolt...


Chances, people tell you not to take chances
When they tell you there aren't any answers
And I was starting to agree
But I awoke suddenly in the path of a lightning bolt

Fortune, people talking all about fortune
Do you make it or does it just call you.
In the blinking of an eye
Just another passerby in the path of a lightning bolt

Everyone I see just wants to walk with gritted teeth
But I just stand by and I wait my time
They say you gotta tow the line they want the water not the wine
But when I see the signs I jump on that lightning bolt










Samstag, 4. Mai 2013

#Staub wischen mit Yoko.

Am Mittwoch habe ich T. gesehen und meine letzten Sachen von ihm geholt: Unterhosen, ein paar Zeitschriften, ein altes Duschgel mit Kakaobutter, jede verfickte Postkarte die ich ihm je geschrieben habe, jeder Liebesbrief, sogar die Neil Young-CD die er von mir zu Weihnachten bekommen hat - er stellt eine gelbe Aldi-Tüte auf den Asphalt zwischen uns und schweigt ungläubig. Vollkommen betrunken sind seine grünen Augen merkwürdig glasig und hell, die Pupillen winzig und unruhig zuckend. Seine Stimme bricht, als er mir ein letztes Mal nachläuft und meinen Namen brüllt: Phoebe! Das kann nicht das letzte Mal gewesen sein! Ich brauche dich! Ich liebe dich und werde dich immer lieben! Stirb!
Ich gehe für immer.
Jetzt liege ich hier, ein dickes Walross voll mit indischem Essen und Schokolade, und kann mir selbst nicht erklären, wie ich ihn geliebt habe. Ich kann es fühlen, aber nicht rechtfertigen. Ich lese seine letzten SMS, die noch nicht blockiert wurden: Schrate sind Freunde der Honigbienen und der Haselmäuse. Dieser Punkt ist der Fleck auf deinem Zeh. Vergiss die Schrate, ich liebe dich.
Bedeuten diese Worte irgendetwas für irgendjemanden? Außer uns? Außer dem Muttermal am Fuß, dem Sommer in seinem alten Garten, bevor alles schlecht wurde was uns geschmeckt hatte?
Der Bruch ist so tief, dass wir nicht einmal die selbe Sprache sprechen konnten. Mittwoch. Unheimlich, wie weit entfernt er schien, wie seine Worte an mir vorbeirauschten ohne mich auch nur zu streifen - es war nur sein Anblick, der bedeutete und schmerzte. Ich sagte ihm, wir könnten keine Freunde sein. Er hörte nicht zu. Drehte ungelenkt eine Zigarette, versuchte mich zu küssen. Ich schrie ihn an. Er wich aus, die Augen so ekelhaft verschleiert und grell, versuchte wieder und wieder, mich an sich zu ziehen. Ich konnte seinen Körper riechen unter all dem Schnaps und floh.
Ich gehe für immer, T.
Wie leistet man Trauerarbeit? Vielleicht ist man Yoko Ono und bastelt ein Video aus golden-verstaubten Vintage-Erinnerungen, singt "Walking on thin ice, I'm paying the price for throwing the dice in the air".
Vielleicht verdrängt man. Vielleicht liebt man heimlich weiter, obwohl der andere schon längst den seelischen Aggregatzustand von Staub erreicht hat. Vielleicht hasst man auch, ihn, sich. Ich?
Ich verliebe mich.
Ich verliebe mich und kann förmlich dabei zusehen, wie Farben auf der inneren Leinwand und Wortfelder der Zweisamkeit durch neue, andere, schönere, leichtere, nicht weniger komplizierte ersetzt werden.
Ist das, was darunter war, dann weg?
Ist das, was darüber kommt, dann falsch?
Ist es Flucht oder Fluch oder die Wirklichkeit, die mich ereilt?
Ich bin verflucht glücklich und alles andere als abgebrüht. Ich bin hochgradig nervös und neurotisch, fresse mir zwanghaft Kilo um Kilo auf die Rippen, als müsste ich mich dafür bestrafen.
Derart lebendig zu sein, mit solcher Intensität hingerissen zu werden, überfordert die geprügelte, geschändete Hülle. Ich häute mich und kann mich doch nicht abstreifen, die Schande bleibt (geschändet), die Zerrissenheit (zerrissen) und die Angst (gekauft, getrieben, getötet) lassen sich nicht von einer Battaillon rosa-glitzernder Schmetterlinge in Schach halten.
Es ist bestimmt richtig, dass wir uns die Zeit geben: "Es macht mich einfach glücklich."
Lennard lächelt, "Mich auch. Und das reicht doch für den Moment". Das ist keine Frage und keine Aufforderung, es ist eine Tatsache, versuche ich ihm zu glauben und zuversichtlich zu sein, was ich bin. Er wendet das Auto, ich krame nach dem Schlüssel, er winkt mit der freien Hand und ruft - Cherie!
Ich muss lachen und krabbele die Treppen zu unserer Wohnung hoch, im Kopf noch immer abstrus-assoziative Beat-Gedichte spinnend, die wir bei offenen Fenstern in den Nachthimmel gebrüllt hatten. Santana hören, irre lachen, zusammenhanglose Bilder finden, du bist Ginsberg, ich bin ein Gordischer Knoten mit wehendem Haar. Du bist neugierig und ich schreie, weil die Kurve zu scharf ist. Wir nehmen Ebenen ein mit Zen-Gelassenheit und Humor.
Ich verliebe mich und gleichzeitig trauere ich, und das widerspricht sich in keinster Weise.
Ich kann implodieren und rennen und bekennen und das Glück zelebrieren.
Wenn wir alles aussprechen, kann alles. Wenn wir aufrichtig sind und respektvoll, was riskieren wir denn?



Mittwoch, 1. Mai 2013

Drehbuch des Vermöglichten.

Lennard liegt hinter mir und umschlingt meinen Körper mit seinem mondfarbenen Unterarm. Durch zwei Unterhemden hindurch spüre ich seinen Bauch in meinem Kreuz, der mit jedem schläfrigen Atemzug zittert und wärmt. Meine Füße berühren die seinen unter der schwarz-weißen Bettdecke, unsere Finger formen eine wohlige Höhle neben meinem Kissen. Mein Kopf produziert elliptische Sätze:
Sicher nicht. Fallen bleiben. Gefundener Hafen. Nacht Glück. Phrasen gelitten. Licht tiefste Schmetterlinge.
Wir schlagen alle paar Stunden die Augen auf, unsere Blicke und Körper treffen sich, entspannte Verbindlichkeiten im Delierium der blauen Stunde. Er legt meine Hand auf seine Brust und ich zähle seine Herzschläge, bis der REM-Schlaf mich fängt.
   Als er mich schließlich entlässt, ist Lennard schon aufgestanden. Ich betrachte das Licht, von seinem grünen Vorhang trüb und diffus auf meinen Armen kitzelnd, und esse meine Tabletten.
Die Wohnung schluckt und gurgelt und knarrt.
Heute ist besser als gestern. Ich verlasse das Schlafzimmer.
Er ist heute agiler und weniger erschlagen, wir wortfechten zärtlich und frühstücken dekadent. Sein Nacken riecht nach Nacht und Sicherheit, ich küsse sein Ohr, während wir mit dem Tablet spielen und unsere Zigaretten die Höhle räuchern. Ich bin unwahrscheinlich fasziniert und berührt von seiner Körperlichkeit, seinen Bewegungen, seiner Gestik, seinem Gang. Er bewegt sich durch Zeit und Raum wie ein Stummfilmschauspieler, mit der beneideswerten Eleganz einer verwöhnten Katze und der unbeholfenen Schlaksigkeit eines zu schnell (er)wachsenden Kindes.
Gestern Abend noch zynisch und nihilistisch, strahlt er heute Tatendrang und Ruhe aus.
   "Heute Misanthrop, morgen Florist des Seins", lächelt er und berührt meine Wange.
Ich dachte immer, ich wäre wechselhaft wie Rimbauds trunkenes Schiff. Tja.
Wir entwickeln alternative Verwendungszwecke für Maos rotes Buch (Geheimversteck für grünes, duftendes Rauschmittel, man könnte es natürlich auch in einem alten BGB horten), hören Yael Naim und Ofrin, verweilen kurz beim Veganismus, bei den Vorteilen eines zweiten Raspberry, suchen ein Massagestudio ohne Happy End (was ein extrem schwieriges Unterfangen ist).
Ich träume von einer Welt, in der Floristen Ärzte-T-Shirts tragen und Palästina ein autonomer Staat sein darf.
Ich träume von leeren Einmachgläsern und Selbstlosigkeit und langen, elektrifizierenden Küssen.
Ich träume von einem Sein in höchster Bildauflösung mit geschärften Sinnen und mündigem Verstand.
Ich träume von einer Zukunft abseits der ausgetretenen Wege, barfuss rennen bis die Schwerkraft mich erlöst und ich fliegen darf.
Ich will nicht alles verstehen müssen, nur können.





Edit: Ich habe der Übersichtlichkeit halber ein "Darstellerverzeichnis" angelegt (siehe rechts).