Dienstag, 30. Juli 2013

"And each wasted word makes a wasted line"

Das Chaos in meinem Zimmer aufrechtzuerhalten ist eine Art verqueres Experiment für mich: Was wird passieren, wenn ich den Boden nicht mehr sehen kann? Inmitten all dieser Stationen des richtigen Lebens (in dem ich pausenlos Putzen gehe, mit Lennard liebevolle SMS austausche, auf Pennys Balkon Muffins esse oder mit Mo bei Saturn herumschleiche) kehre ich zurück in meinen zeitlosen Raum, der nach kaltem Zigarettenrauch stinkt. Zwischen all diesen Tagen, die sich wie Telefonbuchseiten mit fahrigen Fingern umblättern lassen - Suche nach Sinn und Namen und Nummern -  ruhe ich in meinem verdreckten Museum der unangetasteten Dinge. Hier stapeln sie sich Erinnerungen und Mahnschreiben.
Ein kleines Paralleluniversum der dysfunktionalen Phoebe: Unter meinem Bett liegt eine Netto-Tüte mit den letzten Reliquien von T. neben den Silikon-Cupcake-Förmchen von Lulu, die längst in der Spülmaschine sein sollten. Nächtelang lese ich Prosa im Internet, sehe mir fürchterlich schlechte Pornos und alte Wallander-Folgen an. Zerpflücke Uni-Texte von Freunden wie ein größenwahnsinniger Ghostwriter. Die Tage im Zimmer Sodom gleichen den Nächten, immer liege ich, immer essend, ich rauche den ekelhaften britischen Tabak und leere die Asche in Joghurtbecher, die mit der Zeit unter getragenen Kleidchen und Holzfällerhemden verschwinden.
Natürlich bin ich nackt. Natürlich widere ich mich an für dieses Leben in diesem Raum - aber draußen funktioniert es noch. Draußen ist meine Haut reingemalt und glattrasiert, mein Chaos und Dreck wird mir als mehr oder weniger sympathische "Verpeiltheit" und "Schlampigkeit", meine Sexbessesenheit als "lustvolles Dasein" angeschrieben. Wenn ich trotzig bin, applaudieren sie. Wenn ich nicht aufhören kann zu weinen, drückt er mich an sich und entschuldigt sich für Dinge, die meine Fehler sind. Ist all das Teil des großen, unbewussten Experimentes zur Unschärferelation? Because it cut to drops each time I tryto make your way across the bottom line.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Tanz der Moleküle.

Auf meinem Laptop steht ein Glas Gin Tonic, ich höre MIA., ich bin glücklich.
Verrückte Welt. Vor einer Stunde lag Lennard auf meiner Brust, meine Hände spielten mit seinem Fünf-Tage-Bart. Er küsste mein Schlüsselbein: "Dein Herz schlägt so schnell."
  "Du hast recht... Das ist alles nur wegen dir!"
  Er lächelte leise. "Was mache ich denn?"
  "Du machst mich so verliebt", flüsterte ich in sein Haar.
  "Und du mich...".
Wir spürten den feinen Windhauch von der geöffneten Balkontür auf der Haut und die Sekunden dehnten sich in kleine Universen. Er küsste mich, wir küssten uns, auf dem Sofa, im Flur, als ich meine Füße in die alten Gladiatorensandalen zwängte. Seine Hände lagen in meinem Kreutz und hielten mich fest an sich gedrückt. "Danke. Du hast mir so sehr geholfen", sein Atem an meinem Ohr. Es war wie in einem dieser Filme, in denen sich die Protagonisten für immer verabschieden und nicht voneinander lassen können, sich trennen und wie Magnete wieder und wieder aneinander schellen, nur schöner. Mein ganzer Körper summte und tobte und zitterte vor Glück und vor Lust und vor Seligkeit. Er brachte mich runter zur Haustür, Küsse im Mondlicht. Ich wand mich aus seinen Händen und floss durch den Garten zum Hoftor, sah ihn ebenso debil lächelnd im Türrahmen lehnen. Du bist so schön, wenn du lachst.
Vor einem Fachwerkhaus spielten drei Katzenkinder. Die Glöckchen um ihren Hals rasselten leise und melodisch, neugierig tapste eines auf mich zu und ließ sich streicheln. Mein Vogelherz tanzt noch jetzt.




Manchmal frage ich mich... [edited]

...ob ich meinen vollkommen "normalen" Körper und BMI vielleicht besser akzeptieren könnte, wenn ich nicht in einen Mann verliebt wäre, der explizit auf dünne Frauen steht ("Aber du bist genau so wunderbar, wie du bist. Ich liebe deinen Körper", hatte ich erwähnt dass ich sowieso niemandem ein Wort glaube?).
Wenn ich Bilder auf tumblr hochladen würde von meinen zellulitösen Oberschenkeln, die beim Gehen aneinander reiben, und das Ganze mit dem Hashtag realtights versehen. Wer weiß.
Vielleicht wenn ich in feministischer Manier die Gesellschaft hinterfragte, die mir dieses Schönheitsideal aufstempelt, welchem ich immer hinterherhecheln werde. Oder meinem Vater in die Fresse schlagen könnte, wenn er mich beim Essengehen fragt, ob ich wirklich Kohlenhydrate zum Abendbrot essen will ("Und überhaupt, Lachs, Sahne? Das ist aber nicht vegan!").
Ich müsste vielleicht all die Bilder von meiner Festplatte löschen, die mich mit BMI-kurz-vorm-Hungertod zeigen, damit ich sie nicht mehr anhimmeln kann.
Der Gedanke fühlt sich an wie Aufgeben.


Edit 15:33:

Lustig, da finde ich gerade bei der Zerstreuung auf vice.de einen Artikel, der das Ganze noch zuspitzt und weiterführt:
"Wie dem auch sei, bis irgendwann später—auf keinen Fall vor 25—will jede das haben, was alle anderen haben, es ist widerlich. Die einzige universell sichere Tatsache ist, dass alle Mädchen dünn sein wollen, aber jede sagt: „Ieeh, dünn ist eklig“, während sie zu Modemagazinen masturbieren. Und eigentlich machen es sich weiße Mädchen auch zu Rihanna, so viel ist sicher.
Du darfst deinen Körper nicht mögen (das wäre „eingebildet“), aber wenn du coole feministische Freunde hast, dann darfst du auch nicht versuchen, ihn zu verändern. Und wenn deine Freunde eher so dem, ähm, Standard-Problemtyp entsprechen, dann darfst du auch nicht nicht versuchen, ihn zu verändern. Die Folge sind eine Kultur von Unaufrichtigkeit, Feindseligkeit und (am schlimmsten) wiederholte „Du bist schön“- und „Du bist hinreißend“- und „Ich würde für deine Beine töten“-Schwüre. COOL. Stell dir vor, wie ich bei dem Gedanken Luft in meine Handfläche kotze."

Was denkt ihr darüber?

Montag, 22. Juli 2013

Resignation totale.

Frage mich, was zur Hölle eigentlich mein Problem ist.
Auf dem Boden neben dem Bett sammeln sich Joghurtbecher, Schokoladenverpackungen, Tassen, Schüsseln, Teller, Tabakkrümel, der Inhalt von umgekippten Aschenbechern, mehrere Ausgaben der ZEIT (noch unberührt), Mückensprays, ein Ventilator (ohne Schutzabdeckung), Tabletten, BHs, Kleidung en masse, Taschentücher, leere Wasserflaschen, Haarnadeln.
In mir sammeln sich Essensreste (fetthaltig, zuckerlastig, das vierfache meines Tagesbedarfs) und wüste Gefühle (ich kann nicht verstehen, dass er es wirklich ernst meint mit mir).
Und diese Hitze! (I got that summertime, summertime sadness)
Ich muss zur Arbeit gehen. Sieben Tage die Woche. Es gibt kein Verzagen, nur Verantwortung, Druck, funktionieren müssen um jeden Preis, ich warte auf den Zusammenbruch in mir oder um mich herum, auf Kraterbildung, auf das Ende des Sommers. Warum so traurig, warum so resigniert, meine Liebe?
Ich kann das faulend-fette Mich und das ominöse Es und das dröhnende Alles nicht mehr ertragen.
Ich will nur noch schlafen, bis die Welle vorbei ist.

Freitag, 12. Juli 2013

"Es bringt halt auch nichts, im Kreis zu rennen aus Angst, dass das Haus einstürzen könnte. Entweder man nimmt die Angst an - konstruktiv - und verlässt das Haus, oder man entspannt sich. Wenn das Haus einstürzen sollte, wirst du es schlecht aufhalten können"

Was passiert, wenn ich einen Schritt vor die Tür mache und mir den vermeintlichen Schaden mit etwas Abstand ansehe?
Was passiert, wenn ich die Füße still halte und meiner Angst keinen Raum mehr gebe?
Werde ich wachsen?
Werde ich mit Porzellan um mich werfen oder mit wohldurchdachten Worten?

Es wird doch alles gut?

In Your Nature.



Eyes above me
eyes are blown
and now just when the wall becomes a hole
I don't want to know

Found me shaking
out of realm
a hunted world
where it never shows
I don't want to go

Feel it corming
through the skin
swallow me whole
let it bury me in
and there I go


It's coming down
like a sharp, curve in the sky
and I don't even know why

If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win

You used to be that
the war was brought
but now the end becomes us again
we never let it in

And in the shadows
a burning light
it's getting deeper for the fight

So run off, run off
let it drip down
you run off, run off
like it was born for you

If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win

And then you go down that old regarded road
and I'm not the one to say "Oh, I told you so"
and you know
oh you know

If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win
If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win
Zola Jesus



Donnerstag, 11. Juli 2013

Der Testbild-Faktor.

Weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Irgendwo, wo ich keinen Zugriff auf ihn habe, soviel steht fest.
An meinem Handgelenk ein Armband aus Lavasteinen aus "La Casa De Los Balcones", neben meinem linken Knie eine Tasse hyperstarker Kaffee gegen das Nachmittagstief, sieche ich fröhlich vor mich hin.
Ich wusste schon beim Aufwachen, dass es so ein Tag werden würde. Er war über Nacht auf die Wohnzimmer-Couch gezogen, war müde und zerstreut.
Ich war müde, zerstreut, und verschwitzt (der schlechte Traum zog Fäden in mein Bewusstsein, auch wenn ich ihn nicht mehr beschreiben konnte).
Durch das schwarze Loch über dem Hals wehen Adorno-Paraphrasen von der Gefahr der Sprache an und für sich; wir sollten sie gar nicht mehr gebrauchen. Alles für nichts. Ich bin...
Still.

Montag, 8. Juli 2013

Fucking fünf Kilos.

Okay: Zum ersten Mal seit drei Monaten auf der Waage und das Resultat meiner perversen Fresserei lacht mich an, grau auf grau. 65,2kg. Ich könnte jetzt sagen, das sind doch nur fucking fünf Kilos, dann fühle ich mich wieder ansehlicher. Ich weiß es. Aber es sind eben auch fucking wabbelige Oberschenkel und Arme, es ist ein fucking aufgedunsenes Gesicht und ein fucking weicher Bauch in der Präsens-Form.
Dieses Gewicht hatte ich seit fucking drei Jahren nicht mehr. Übermorgen kommt Lennard aus dem Urlaub zurück und mein verzweifelt-armseliger Wunsch war, während seiner Abwesenheit signifikant an Gewicht zu verlieren, so viel, wie eben in einer Woche möglich ist; so viel, dass er es bemerken muss. Warum ist mir das so wichtig? Ich habe Probleme, etwas zum Anziehen zu finden. Probleme, zu verdecken was verdammt nochmal nicht zu meinem fucking Körper gehören soll, als wäre mein Ich etwas statisches, verborgen unter Unterhautfettgewebe, und man (also ich) könnte es wie ein Bildhauer freilegen, indem man Schicht für Schicht abträgt.
Ich erinnere mich an die letzte BIA-Messung im Fitnessstudio, das war kurz vor der Trennung von T., also irgendwie im Frühjahr. Die Waage zeigte 52,3 kg an und mein Trainer kratze sich am Kopf: "Naja, bei deiner Größe solltest du mal mindestens 65 Kilo wiegen, das ist viel gesünder und sieht auch viel besser aus." Ich lachte und meinte, ich wolle das Gewicht halten.
Stattdessen habe ich... zugenommen. Was zu erwarten war.
Und sage mir täglich - morgen geht's los. Morgen.