Samstag, 10. August 2013

Fragen, die ich mir nach einer Clubnacht stelle.

Vielleicht habe ich ein ernsthaftes Problem, wenn ich andere Männer sexuell anziehend finde. Ich flirte gerne. Ich genieße es, Aufmerkamkeit zu bekommen, zu spielen. Ich erkenne mich kaum wieder. Diese Persönlichkeit trage ich nur beim Tanzen nach außen. Fremde Körper, Nebel, Zigaretten, viel zu viel Alkhol. Mich in diesem langweiligen Club, den ich eigentlich immer meide, heute spontan und komplett ungeschminkt mit Pennys Freund (und in seinem T-Shirt, da ich viel zu warm angezogen gewesen war) zu "Alternative, Partytunes, Indie und Elektro" selbstvergessen bewegen und gleich zweimal angesprochen werden. Meine Haare zwirbeln, frech sein, dreist, lässig, selbstsicher. Und all das nur, weil mir das Gegenüber Komplimente macht?
Der Berliner, dreißig Jahre alt, ziemlich attraktiv in meinen Augen, obwohl er Mist redet (mein Job, meine Exfreundin, meine Fickhäschen, mein Intellekt, meine Ehrlichkeit, meine Männlichkeit) und ich mich im nüchternen Zustand möglicherweise nie auf das Gespräch eingelassen hätte.
So jedoch sitze ich an der Glaswand, die Bässe wärmen meinen Rücken, rauche die Luckies des Berliners und gebe mich schlagfertig und kokett. Erzähle ihm von Lennard, was es offenbar noch reizvoller für ihn macht. Fühle mich unendlich geschmeichelt, fixiere seinen Blick, bis er wegsieht. Beiläufiger Körperkontakt. Ich weiß, wenn ich nicht einen Mann in meinem Leben hätte (oder einen, der mir weniger bedeute), ich würde dieses Spiel bis zum Ende spielen, meine geschworenen Todfeinde Mr Gin und Mr Vodka tragen ihr übriges zur Situation bei. Ich würde diesen fremden Idioten ficken, bis sein schönes Gesicht vor Schweiß glänzt, ich wüsste ihn um den Verstand zu bringen und er mich um den meinen. Was immer er in mir sieht, es berührt meinen Narzissmus und meine Libido. Im Club denke ich den Gedanken nicht zu Ende, im Club bin ich unerträglich selbstsicher und naiv.
Ich frage mich, warum Lennard nicht einfach mitkommen konnte. Es ist so viel schöner, mit ihm zu feiern, ich liebe es, ihn tanzen zu sehen, ich liebe die tiefen Küsse am Rand der Tanzfläche, liebe es, wenn er ausgelassen ist und so viel glücklicher wirkt. Tanzen ist mehr als Sex, es ist aber auch Sex. Oder besser gesagt - die Idee von Sex.
Ich frage mich, was ich empfinden würde, wenn Lennard beim Feiern von einer Frau angesprochen würde und sich darauf einließe, sei es nur ein Gespräch zwischen Zigaretten und Longdrinks, ein Tanz oder zwei, ein durch-die-Haare-streichen, ein paar eindeutige Avancen, die er zu uneindeutig abweisen würde. Eifersüchtig wäre ich und verletzt. Habe ich dazu überhaupt das Recht?
Ich frage mich, warum ich jeden Kerl, den ich irgendwie ansprechend finde, in Gedanken sofort ausziehe und mich mit ihm auf dem Herrenklo, in den Laken, auf dem Rücksitz oder sonstwo vergnüge. Das kann ein Bekannter meiner Eltern sein, der Typ aus dem Club, Pennys Freund, der Kellner, der Kollege. Unter Einfluss von THC sowieso jeder und jede.
Irgendwas stimmt nicht mit mir. "Ich bin nun mal ein sehr sexueller Mensch", habe ich neulich erst zu Penny gesagt. Das Gegenteil von verklemmt. Mein Name steht auf der roten Liste der potentiell Fremdgeh-Gefährdeten, was ich mindestens seit R. weiß. Wo fängt Fremdgehen an? Erst beim Akt an sich? Beim Flirt? Beim Kuss? Messe ich den Geschehnissen von heute Nacht zu viel Bedeutung zu?

Ich überlasse dieses Stück trunkene Pseudo-Prosa mit Frauenzeitschriften-Kolumnen-Touch nun den wacheren Geistern. Also euch. Mir bleibt nur noch die Frage: Bin ich ein Arschloch? zu stellen und mich wieder anzuziehen um zur Arbeit zu gehen, schlafen werde ich jetzt eh nicht mehr können...

4 Kommentare:

  1. Das ist ja witzig, ich bin genauso, trotzdem würde ich sagen, nein! Vielleicht solltest du aber mal mit Lennard darüber reden...

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  2. Nein, du bist kein Arschloch. Das spricht einfach das Ego an, dieses flirten, das bekommen was man will, die begehrenswerte sein und einfach diese Bestätigung. Das ist wunderbar. Man hat irgendwo ein Stück Macht, kontrolle. Das hat nichts mit arschloch zu sein, denn wärst du eins, wuerdest du dir diese Frage(n) nicht stellen.

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  3. Das Flirten an sich ist kein Problem. Es geht um dein Verlangen nach körperlicher Bestätigung, das - wie wir schon in unserem "Cafégespräch" festgestellt haben - wohl daher rührt, dass du dich von Lennart nicht genug bestätigt und geliebt fühlst. Was nicht unbedingt nur an ihm liegen muss. Du bist prinzipiell ein Mensch, der nicht genug Liebe bekommen hat. Und das zu decken wird für deinen Macker ziemlich schwer sein. Vielleicht soltlest du da mal ganz offen mit deiner Therapeutin drüber reden. Es gibt "polygame Phasen", aber ich denke, bei dir ist es viel mehr als das.

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