Donnerstag, 12. September 2013

In eigener Sache:

Ich bastele gerade an einem privaten Blog.
Scheint mir angemessener-

Wer eingeladen werden möchte, poste bitte seine Mailadresse unter diesen Eintrag. Merci!

Donnerstag, 5. September 2013

Wer weiß.

"Wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, sagte er sich, wir sehen sie so, wie wir sind. Wir benennen Dinge, manchmal falsch. Unser Auge spielt uns Streiche. Wir sitzen in Räumen und fühlen uns nicht gut. Unsere Trauer kommt mal zu früh, mal zu spät. Die Räume fühlen sich wie etwas Äußerliches an, sind es aber nicht."

Sam Byres - Idiopathie. Ein Roman über Liebe, Narzissmus und kranke Kühe

Dienstag, 3. September 2013

Les choses de la vie.

Mit zeitloser Gier klaube ich ein Paper aus der blauen Pappkonstruktion und drehe in Sekundenbruchteilen ein Zigarettchen. Nach kratzigen ungarischen Nuttenstängeln und in Verarbeitungsqualität und Geschmack sehr stark variierenden Joints erfreue ich mich umso mehr an meinem beständigen L&M-Kleinod aus ehrlicher Handarbeit. Der erste Zug füllt die Lungenflügel mit warmem, weichen Rauch. Mein Herz stolpert ein wenig, graublauer Dunst sickert an Schneidezähnen und halb geöffneten Lippen vorbei in den Raum. Als letzte Drachenflammen aus meinen Nasenflügeln steben setzte ich den Filter bereits wieder zärtlich an die Lippen wie einen geliebten Mund. Inhalieren, schmecken, ausatmen, die Muster in der Luft vor mir betrachten, Drachenflammen, ansetzen, inhalieren. Ich halte den letzten glimmenden Rest zwischen Mittel- und Zeigefinger der linken Hand und beobachte die Asche in ihrem Fall. Meine Hände, meine Bluse, mein Mund, mein Zimmer stinkt nach Rauch. Meine Rauchfinger sind nikotingelb. Ich bin traurig und aufgewühlt und rauche immer weiter, als ob es die Zeit sei, die ich verbrenne und als schwarzen Staub in meinen Lungen absetze.

Montag, 2. September 2013

Nummer fünf und sechs.



Wenn dein Leben so absurd und verstörend ist, dass du darüber nicht einmal schreiben kannst: I wanna shoot my ego down.

Dienstag, 27. August 2013

Brief an Lennard vom 3. Juli, nie abgeschickt.

Lennard,

Ich möchte dir näher sein und zugleich die Faszination, die Fremdheit der Ferne erhalten.
Ich möchte dich verorten können in meinem Leben, ich weiß nur nicht, wo. Angst macht mir meine eigene destruktive Kraft, weil ich glaube dass sie einerseits zu viel offenlegt und damit Raum beansprucht, zum anderen eine andere Sprache spricht und Distanz provoziert, vielleicht auch Wut oder, noch schlimmer, Mitleid.
Ich sehne mich danach, gänzlich erfasst zu werden, das ist eine masochistische Eigenschaft, denn im Grunde genommen weiß ich, wie viel Schmerz aus Nacktheit und Ehrlichkeit geboren werden kann. Eigentlich ist es auch gar nicht erstrebenswert, komplett begriffen zu sein, in jeglicher Facette offen zu liegen. Da ist eine unendliche Neu-Gierde nach allem, was du bist, gänzlich aufgewogen mit Furcht vor Momenten, die ich nicht mitfühlen könnte. Dass Intimität entzaubert, dass Wissen und immer mehr Wissen Zweifel schüren, Fremdheit statt Gemeinsamkeit im Raum stehen könnte – meine grauenhafte Harmoniesucht. Es sind die Kanten und ihre Reibung, die verstören und dann wärmen, das verstehe ich Tag für Tag ein bisschen besser (Danke für deine Gelassenheit).
Meine Ausdauer reicht immer nur bis zum nächsten Morgengrauen, dann muss ich von vorne beginnen. Wie ein Kind, das tagtäglich lernt und neu bewerten muss, zerpflücke ich unsere Welt in kleinste Teilchen und verliere dabei das Gesamtkunstwerk aus den Augen, du kennst das.
Ich will wissen, wer exakt vor mir steht, wessen Stimme ich lausche. Manchmal glaube ich, zu erahnen wer es sein könnte, das fühlt sich sehr schön an. Es macht Mut.
Nie weiß ich, wo ich zu viel bin und wo zu wenig, ich kann dich nur beobachten und Schlüsse ziehen. Dabei will ich keine andere sein, wenn es diese Person ist, die dir etwas bedeutet, nachvollziehen können muss ich es ja nicht. Mal knistert es, mal ist es ein Tinnitus-Pfeifen, mal Stille.
Als ich dir sagte, dass ich dich liebe, habe ich dich gefühlt, dich und das Gesamtkunstwerk Leben. Es war vereinnahmend und berauschend, eine Erfahrung von Nähe und Vertrauen, die ich selten machen durfte. Auch wenn ich nur Ahnungen habe, wer dieser Mann ist, mein Herz wusste es offenbar. Und wer ich bin, ganz kurz, sehr klar. Diese Momente sind unwahrscheinlich rar, ich bin sehr glücklich und dankbar dafür.
Es geht offenbar in Gefühlsdingen immer auch um die großen Fragen der Erkenntnis (ich erkenne dich, du erkennst mich und reflexiv), was ich atemberaubend und fürchterlich zugleich finde. Es ist unheimlich (schön?), Sätze des anderen beenden zu können, weil es Individualität und Einzigartigkeit infrage stellt zugunsten eines undefinierten Gemeinsamen, was ein unschätzbar kostbares Geschenk ist.
Ich habe Angst, sehr sogar. Ich will verstehen können, was dich so zuversichtlich macht, ich will deine Dämonen auf meinem Schoß liegen sehen und in ihrem Blicken lesen. Ich will, dass du mir sagst wie ernst es ist. Nein, ich will es eigentlich nicht hören.
Näher kommen will ich, nicht so nah als dass es den Kokon beschädigt, nicht so nah dass ich zu viel sehen könnte. So weit weg gerade, dass es unergründlich und spannend bleibt; so nah, dass es wetterfest ist. Du kannst mir keine Vorhersagen geben, das erwarte ich gar nicht. Du weißt so viel von mir, ich tue mir schwer mit Grenzen. Ich halte dich für den König der Abgrenzung, manchmal tut es weh, ein ganz kleines Ziehen, vollkommen im Rahmen des Ertragbaren. Du sagst nein und sicherst die Burggräben. Ich wünsche mir, dass du mir mehr vertraust und dich ein- und fallen lässt. Dass du den Raum, den ich dir offeriere, unvoreingenommen betrittst und keine Angst hast. Das braucht Zeit, beiderseitig. Arbeiten und kämpfen und fallen lassen. Genießen. Schweigen. Gedanken berühren.
Du gibst mir sehr viel und es ist ein großes Glück, dich an meiner Seite zu wissen.

Phoebe

Sonntag, 25. August 2013

Singing in the rain.

Wir sind geboren um frei zu sein - Ton Steine Scherben

Digital -Joy Division




Der Beat ist so laut, dass die Ohren schmerzen. Uhrwerk Orange, hochpolitische Diskurse, alte Platten an mein Herz pressen und durch die Stadt rennen.
Am 28.9. kommt mein Tattoo unter die Titten:

"Dionysos bedeutet Identifizierung, Apollon Objektivierung. Dionysos ist Empathie, die sympathetische Emotion, die uns in andere Menschen, an andere Orte, in andere Zeiten versetzt. Apollon ist das unerbittlich Kalte, das Trennende der westlichen Person und des westlich kategorialen Denkens. Dionysos bedeutet Energie, Ekstase, Hysterie, Promiskuität, Emotionalität – Rücksichts- und Wahllosigkeit im Denken und Handeln. Apollon dagegen ist fixe Idee, Voyeurismus, Idolatrie, Faschismus ist Frigidität und Aggressivität des Blicks, die Versteinerung der Objekte."
"Apollon zieht die Grenzlinien, die gleichbedeutend sind mit Zivilisation, aber Stereotypie, Enge, Unterdrückung zur Folge haben. Dionysos ist ungebändigte Kraft, wahnsinnig, rücksichtslos, destruktiv, zerstörerisch. Apollon verkörpert Gesetz, Geschichte, Tradition, die Würde und Sicherheit des Sittlichen und der Form. Dionysos dagegen verkörpert das Neue, ist ebenso begeisternd wie gewalttätig, fegt alles weg, um ganz von vorne anzufangen. Apollon ist ein Tyrann, Dionysos ein Vandale."
Camille Paglia, Die Masken der Sexualität, 127

Mittwoch, 21. August 2013

150 Tage, 62,8kg.

"Irgendwann habe ich geliebt, mit jeder Pore und mit voll triefendem Kitsch und da habe ich aufgehört zu denken. Was für eine Befreiung. Denn es war nicht nur Reflex, es war plötzlich implodieren und weich werden. So weich, dass ich immer nur lächeln konnte, denn ich habe nichts mehr gespürt, außer mich selbst zerfließen", sagt Helene Hegemann.
  Da ist diese samtige Rose in meiner Hand und the smell of your neck. Irgendwann versiegen meine Tränen und ich bebe nur noch an deiner Brust, zähle deine Stirnfalten und weiß, dass du die drei verbotenen Worte gesagt hast. Indirekt gesagt. Ich bin ganz ruhig mit einem Schlag, nur mein Kopf stürmt voran in den nächsten Tag, es juckt unter meinen schweren Haaren, du schließt die Augen. Eigentlich ist es zum Weinen. Keiner ahnt, was es bedeutet, Tag für Tag aufzuwachen und ich sein zu müssen, pathologisch und ohnmächtig und getrieben. Ich habe J. einmal geschrieben: "Nicht Sehnen ist Mangel. Das Ende des Sehnens ist Mangel", und mich ängstigt, dass ich Recht gehabt haben könnte. Das Schlimmste ist nicht mal, den Faden zu verlieren und kopflos durch die hellen Stunden zu rennen, das Schlimmste ist nicht verorten zu können, wonach ich sehn-süchte. Nach nichts, dass ich besitzen kann, nicht mehr, und das macht mich wütend und traurig.




Tip Tapping - Dillion auf Repeat, die ganze Nacht...

Sonntag, 18. August 2013

"Dreißig ist das neue Zwanzig, der Mann ist die neue Frau, Freiheit ist das neue Gefängnis und reich ist das neue schlau..."

Es war wunderschön.

Mein erstes Therapiegespräch nach den Ferien (ihren Ferien, nicht meinen) war ermüdent. Zahnfleisch tut weh. Mit abgekauten Fingernägeln in schorfigen Wunden bohren und sie danach ablecken - Style. Mit tonnenschwerer Reisetasche durch die Stadt rennen, Kaffee mit Penny, Fernbus. Leipzig am Abend, Harry Potter zitieren, schlafen wie ein Stein, Songs im Kopf, Alkohol im Herzen, lautlos atmen über aufgeheiztem Stein. Rückfahrt. Kokosmilch-Curry und A Beautiful Mind mit ihm.
Ich schlage meinen Freund versehentlich mit dem Handtuch bei dem Versuch, einen Haarturban zu binden. "Das war die Rache für vorhin". - "Das nennt man Quickie, Liebste." - "So was gibt es in meiner Welt nicht.", wir lachen und ziehen uns an. Ich bin wahnsinnig frustriert und armselig, meine Haare duften nach Nüssen und Sommer, es regnet, ich verliere die Balance.




Donnerstag, 15. August 2013

Mixtape.

Meine Oma lebt noch. Wir sind in China. Lennard und ich schlafen in einer winzigen Koje neben einem Panda-Gehege. Er steht auf, ohne mich zu wecken. Mein Handy summt. Es ist T.. Er erzählt von dem Weihnachtsfest mit seiner Familie. Seine Stimme ist weich und tief, er ist blau. Ich weine. Ich sage - T., ich bin in China mit meinem neuen Freund und meiner Familie. Er hört mich nicht, die Verbindung ist zu schlecht. Wo bist du? - In China! Es ist schrecklich heiß hier. Ich liege unter einem Moskitonetz und presse das Telefon gegen mein Ohr, dass es wehtut. Mir geht es ganz gut, ja, aber ich schwitze wie ein Otter. Er lacht heiser. Ich will dich hier auf meinem Bett, sagt er. Ich weiß, dass er wichst. Er spricht leiser, ich will dir wehtun. Ich stöhne leise, meine Hände wandern über meinen schwitzigen Bauch nach unten. Plötzlich höre ich Stimmen, mein Onkel ruft mich. Ich lasse das Handy auf der Koje liegen und gehe nackt nach draußen. Lennrad quält sich gerade aus seinen Laufschuhen. Meine Oma sitzt in einer weißen Hollywoodschaukel und hält einen Drink in der rechten Hand. Lennard mustert mich. Ich spüre, dass er mich durchschaut. Die Pandas sind heute Nacht gestorben, sagt er leise und zieht mich an sich. 

Kustpause.

Es geht mal wieder nach Leipzig zu meiner J. (und Sophie Hunger) und dann mit ihr zusammen zurück. Ich freue mich so wahnsinnig auf sie, es gibt unendlich viel zu reden. Lennard will uns am Samstag in Frankfurt am Bahnhof abholen - in Pennys Sitcom wird diese Folge mit Sicherheit ein Quotenhit, Arbeitstitel: "Mein Freund, seine Exfreundin und ich".
Das Mixtape, das ich ihr mitbringe, ist mein Sommer:

Die Flucht - Enno Bunger
Smoke - 100 Monkeys
Love Is Not A Cliché - Garland Jeffreys
We Are The People - Empire Of The Sun

Mammoth - Interpol
A Nervous Tic Motion Of The Head To The Left - Andrew Bird
Take Me Out - Franz Ferdinand
All Along The Watchtower - The Frattellis
Lust For Life - Iggy Pop
Different Pulses - Asaf Avidan
Evil - Interpol
Glück - Prinz Pi
The Last One - Au Revoir Simone

Rest My Chemistry -Interpol
Sail - Awolnation
Twentysomething - Jamie Cullum
American Days Are Over - The Reborn Identity
Wishful Thinking - Pulp at John Peel Sessions
Burning Berlin Down - Bittersweet
The Future - Leonard Cohen
Can't Hold Us - Macklemore
If Looks Could Kill - Camera Obscura
Pink Night - Jason Collett
Home - Daughter
Unser Platz - Prinz Pi
Desperado - Johnny Cash
White Blank Page - Mumford & Sons
Wonderful Life - Nick Cave
Sail Away - The Rapture
Who Did That To You - Django Unchained Soundtrack
Restless - Kakkmaddafakka
Die Neue Seltsamkeit - Tocotronic
Golden Brown - The Stranglers
Dreaming Of You - The Coral
In Your Nature - Zola Jesus
Left Myself Behind - Toy
100x - Prinz Pi
Je Cours - Stromae
Signal To Noise - Peter Gabriel

Montag, 12. August 2013

Update: Körperumfang visuell.

Immer dieses stete koffein- und hormoninduzierte Klopfen und Ziehen im Takt von Interpol, dem Käptn und Iggy Pop -
Lass es gut gehen, liebes Leben.

Man beachte die Vogesscheiße vor meinem Gesicht.
Gewitter im Gehirn.

Samstag, 10. August 2013

Fragen, die ich mir nach einer Clubnacht stelle.

Vielleicht habe ich ein ernsthaftes Problem, wenn ich andere Männer sexuell anziehend finde. Ich flirte gerne. Ich genieße es, Aufmerkamkeit zu bekommen, zu spielen. Ich erkenne mich kaum wieder. Diese Persönlichkeit trage ich nur beim Tanzen nach außen. Fremde Körper, Nebel, Zigaretten, viel zu viel Alkhol. Mich in diesem langweiligen Club, den ich eigentlich immer meide, heute spontan und komplett ungeschminkt mit Pennys Freund (und in seinem T-Shirt, da ich viel zu warm angezogen gewesen war) zu "Alternative, Partytunes, Indie und Elektro" selbstvergessen bewegen und gleich zweimal angesprochen werden. Meine Haare zwirbeln, frech sein, dreist, lässig, selbstsicher. Und all das nur, weil mir das Gegenüber Komplimente macht?
Der Berliner, dreißig Jahre alt, ziemlich attraktiv in meinen Augen, obwohl er Mist redet (mein Job, meine Exfreundin, meine Fickhäschen, mein Intellekt, meine Ehrlichkeit, meine Männlichkeit) und ich mich im nüchternen Zustand möglicherweise nie auf das Gespräch eingelassen hätte.
So jedoch sitze ich an der Glaswand, die Bässe wärmen meinen Rücken, rauche die Luckies des Berliners und gebe mich schlagfertig und kokett. Erzähle ihm von Lennard, was es offenbar noch reizvoller für ihn macht. Fühle mich unendlich geschmeichelt, fixiere seinen Blick, bis er wegsieht. Beiläufiger Körperkontakt. Ich weiß, wenn ich nicht einen Mann in meinem Leben hätte (oder einen, der mir weniger bedeute), ich würde dieses Spiel bis zum Ende spielen, meine geschworenen Todfeinde Mr Gin und Mr Vodka tragen ihr übriges zur Situation bei. Ich würde diesen fremden Idioten ficken, bis sein schönes Gesicht vor Schweiß glänzt, ich wüsste ihn um den Verstand zu bringen und er mich um den meinen. Was immer er in mir sieht, es berührt meinen Narzissmus und meine Libido. Im Club denke ich den Gedanken nicht zu Ende, im Club bin ich unerträglich selbstsicher und naiv.
Ich frage mich, warum Lennard nicht einfach mitkommen konnte. Es ist so viel schöner, mit ihm zu feiern, ich liebe es, ihn tanzen zu sehen, ich liebe die tiefen Küsse am Rand der Tanzfläche, liebe es, wenn er ausgelassen ist und so viel glücklicher wirkt. Tanzen ist mehr als Sex, es ist aber auch Sex. Oder besser gesagt - die Idee von Sex.
Ich frage mich, was ich empfinden würde, wenn Lennard beim Feiern von einer Frau angesprochen würde und sich darauf einließe, sei es nur ein Gespräch zwischen Zigaretten und Longdrinks, ein Tanz oder zwei, ein durch-die-Haare-streichen, ein paar eindeutige Avancen, die er zu uneindeutig abweisen würde. Eifersüchtig wäre ich und verletzt. Habe ich dazu überhaupt das Recht?
Ich frage mich, warum ich jeden Kerl, den ich irgendwie ansprechend finde, in Gedanken sofort ausziehe und mich mit ihm auf dem Herrenklo, in den Laken, auf dem Rücksitz oder sonstwo vergnüge. Das kann ein Bekannter meiner Eltern sein, der Typ aus dem Club, Pennys Freund, der Kellner, der Kollege. Unter Einfluss von THC sowieso jeder und jede.
Irgendwas stimmt nicht mit mir. "Ich bin nun mal ein sehr sexueller Mensch", habe ich neulich erst zu Penny gesagt. Das Gegenteil von verklemmt. Mein Name steht auf der roten Liste der potentiell Fremdgeh-Gefährdeten, was ich mindestens seit R. weiß. Wo fängt Fremdgehen an? Erst beim Akt an sich? Beim Flirt? Beim Kuss? Messe ich den Geschehnissen von heute Nacht zu viel Bedeutung zu?

Ich überlasse dieses Stück trunkene Pseudo-Prosa mit Frauenzeitschriften-Kolumnen-Touch nun den wacheren Geistern. Also euch. Mir bleibt nur noch die Frage: Bin ich ein Arschloch? zu stellen und mich wieder anzuziehen um zur Arbeit zu gehen, schlafen werde ich jetzt eh nicht mehr können...

Freitag, 9. August 2013

Was Howard sagt. / Ponyhof.

Howard: "Er schafft sich leider ständig Parralelwelten. Immer und immer wieder. Sei es in Beziehungen oder ohne. Und wir (seine Freunde) versuchen ihn immer mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. Natürlich schaffen wir uns alle irgendwo unsere Welten und Freiräume - nur kehren wir auch wieder zurück. Lennard hat leider ein Problem mit dem Wieder-Zurückkehren.
Er baut manchmal soweit an seiner kleiner Traumburg, dass er vergisst eine Tür einzubauen, dass er wieder raus kommt - nur es kommt halt dann auch keiner mehr rein... wenn du verstehst was ich meine. Um in dem Bild zu bleiben: Für ihn sind du und er IN dieser Burg. Penny und ich stehen draußen, sind aber groß genug um über die Mauer zu schauen und mit ihm zu reden. Und für die anderen hat er ein kleines Fenster gelassen - nur für M. und T.. Alle anderen schauen auf diese große Mauer und wissen nicht, was der Lennard dahinter so macht, sondern sie müssen mich und Penny fragen, weil wir ja drüber schauen können.
Und Kontakte halten ist gar nicht Lennards Ding. Er kann (leider) sehr lange ganz ohne diese Menschen auskommen, ohne dass sie ihm fehlen. Und davor hab ich Angst - dass er sich irgendwann ganz abschottet. Wenn du weißt was ich meine...
Aber generell muss ich sagen, dass gerade diese Woche für uns aus meiner Sicht sehr angenehm war. Gestern das Filmschauen hat mir unheimlich viel gegeben. Nicht groß reden, sondern einfach gemeinsam was erleben und wenns nur Filmschauen ist. Er rennt ja meistens vor sowas weg (Das berühmte "Wir machen einen Film an und nach 5min geht Lennard an seinen PC und ich sitz alleine da")
Soziale Kontakte sind anstrengend - ja! Gebe ich euch voll und ganz recht - aber das Leben besteht leider nicht aus einer Gummizelle oder einem Ponyhof. Man kann sich einen Ponyhof draus machen, aber ob man mit dem Ponyhof dann leben kann - überleben kann - das bezweifle ich. Daher muss man sich manchmal den unangenehmen Dingen stellen und sie zu angenehmen Momenten machen, ja zu unvergesslichen Momenten. Meiner Einschätzung nach ist das Elixier nicht in der eigenen Wohnung - sondern da draußen! Man genießt es vielleicht in der Wohnung auch - aber holen muss man es sich draußen."

Ich: "Jaah, die Komfortzone als Ponyhof! Ich liebe Ponyhöfe! Es ist ziemlich krass, dass ich während der zwei Jahre mit T. außer J. so gut wie KEINE sozialen Kontakte mehr hatte. Also gar keine. Familie, klar, das ist unvermeidlich, und hin und wieder die Leute von meiner Schwester. 
Und seit ich im Februar mit Penny in Leipzig war kehre ich dem Ponyhof langsam den Rücken. Es werden immer mehr Menschen, die ich an mich lasse und die mir irgendwie etwas bedeuten. Lennard hat sicherlich auch einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich mich mit Menschen ingesamt sicherer fühle. Auch wenn es paradox klingt, weil er ja nicht gerade das beste Beispiel für einen kontaktfreudigen Kerl ist. Aber es geht um diese gewisse Gelassenheit, mit der man dem Leben begegnen kann, alles ausprobieren, Ideen haben, sich wieder begeistern können, auch mal scheitern. Das ist für mich gerade essentiell, man könnte sagen das Elexier. Die Wohnung ist mehr so eine Art Akkuladegerät. Ruhe tanken, Zeit alleine verbringen, seinen eigenen Kram regeln. Ich stelle es mir anstrengend vor, ein wild-fröhliches Sozialleben zu pflegen ohne diesen Ausgleich zu haben. Einfach mal nichts zu tun."

Donnerstag, 8. August 2013

Vom Leben gelernt (während eines Kurzurlaubes bei Opa):


Man sollte nie, nie nie sein Antidepressivum zu Hause vergessen. Kommt gar nicht gut.
Phoebe, 20, seit 2,5 Jahren auf Psychopharmaka

Wer alleine im Wald spazieren geht, bekommt Rehe zu sehen.
Frau Phoebe, 43, Naturburschin

Die Deutsche Bahn ist ein...
Phoebe, 18, zu gut erzogen um zu fluchen

Lulu und ich sind ein tolles Team wenn es um Bratkartoffeln mit Räuchertofu geht. Und auch sonst.
Phoebe, 24, stolze Schwester

Pferde! Ich liebe Pferde! Ich will wieder reiten gehen!
Phoebe, 9, Pferdemädchen

Mein Opa hat zu große Mengen Schokolade im Haus.
P., Alter unbekannt, unbeherrscht

Wenn mein Freund sich in meiner Abwesenheit mit "einer Bekannten" auf "einen Wein" trifft, führt das nicht dazu, dass er mich betrügt, sondern dazu, dass sie mich "unbedingt kennenlernen" möchte.
Phoebe, 16, die Unschuld in Person

In der Miltenberger Altstadt müsste man den Hippie-Kleider-Laden leerkaufen.
Miss Phoebe, 26, sog. "Mode Opfer"

Cabriofahren im Sommer. Nur das!
Phoebe, 21, Retro- und Autofreundin

Man kann auch ganz gut so tun, als sei man glücklich. Wenn man Glück hat wird der Schein zum Sein.
Fräulein P., 33, Kalendersprüche und depressive Symptomatik

Gewitter sind toll, vor allem im Wald.
Phoebe, 13, Schülerin

So ein arbeitsfreier Tag nach anderthalb Monaten pausenlosen Arbeitens ist eine feine Sache.
Phoebe, 39, Putzfrau und Genitiv-Fan

Langsam aber sicher werde ich richtig fett.
Phoebe, zeitlos, Ex-Anorektikerin, Cellulite-Phobie, schlechte Wortspiele

Feuerzeuge braucht die Frau!
Phoebe, 68, Selbstgedrehte seit 40 Jahren


Montag, 5. August 2013

Doppelter Boden in zwei Akten.

Erster Akt.

Wir fahren durch die Allee, der heiße Föhn presst den Geruch von grünen Blättern und heißem Asphalt in unsere Nasen. Mein Helm hat kein Visier und trotz der 50er-Jahre-Sonnenbrille tränen meine Augen ein wenig. Ich umklammere seinen Bauch unter der Motorradjacke und wir rufen uns gegen den Fahrtwind kleine Sätze zu - Hast du den gesehen? - Wahnsinnig schönes Auto! - Wie gut der Wald duftet! - Das fühlt sich wie Urlaub an! - Ich bin so glücklich. - Ich auch. - Ich kann nicht aufhören, zu grinsen.
In dem kleinen Vorort stellen wir unser Gefährt ab und setzen uns auf die Treppe mit Blick auf die Kirche, essen Eis, rauchen und reden über die Zukunft. Lennards Hand sind warm und trocken auf meinem Knie und er küsst meine Schulter.
Wir stellen uns vor, ganz weit weg zu sein. Offenbach bietet so viel Urlaubs-Gefühl an staubigen Sonntagen: ein südfranzösisches Touri-Dorf mit viel Beton, niedlichen Häusern und wilden Blumen. Die hitzigen Weiten von Kansas, als wir die stoppeligen Äcker durchqueren. Die schlecht befestigte Straße durch den Wald, marmoriert von dem Licht, das durch die Blätter fällt: eine kanarische Insel. An einer verkommenen Fabrik vorbeirauschen und die Abgase der Autos riechen schmeckt nach den kroatischen Großstädten.
Wir parken vor der Gaststätte meines Stiefvaters, unsere Gegend könnte mit ihren Fachwerkhäusern und dem spätsommerlichen Charme das Elsaß darstellen, stoplern lachend in den Biergarten. Unter der großen Kastanie falten wir die Hände auf dem Tisch ineinander und halten den Film an. Das bleibt, sage ich, dieser Moment, in einem Rahmen. Du bist so schön, antwortet er. Wir kommen kaum zum Essen, so viel gibt es zu erzählen. Ich bin berührt und spüre, wie meine Augen feucht werden.
- Findest du, dass ich zu verständnisvoll bin?, fragt er.
- Nein, ganz im Gegenteil. Es rührt mich, dass du... Dass wir das können. Dass wir einander wirklich verstehen. Dass wir nichts zu sein vorgeben müssen, dass wir nicht sind.
Ich bin sehr nah am Wasser gebaut im Moment, aber das stört mich nicht. Ich bin sehr ehrlich zu ihm, er findet es nachvollziehbar und nicht weiter beunruhigend, dass ich hin und wieder um T. trauern muss. Er weiß, dass es für mich kein Zurück gibt, und ich weiß es auch, tief in mir drin. Mein Herz ist ganz leicht.
Nach dem Essen spielt uns mein Stiefvater in seinem winzigen Büro Jazz vor. Ich betrachte die beiden, wie sie über Gitarristen reden und über Konzerte. Marmeladenglasmomente im Küchendunst.






Zweiter Akt.

Die letzten Minuten von Ich - Einfach unverbesserlich II. Wir stellen fest, dass es für eine gelungene Hochzeit unbedingt Minions braucht. Und plötzlich, ganz ohne Vorwarnung, schieb sich eine graue Wand in meinen Kopf. Ich bin tausend Lichtjahre von ihm entfernt. Mein Körper und ich trennen uns. Gedankenschnellzüge in Richtung Psychiatrie. Ich zittere. Lennard zieht mich zu sich. Das Beben wird stärker und droht, mich zu zerreißen - das sind die Orte, an die er mir nicht folgen kann, das sind die Abgründe, für die ich kein Verständnis von ihm erwarte. Ich weine auf seiner nackten Brust und atme viel zu schnell, zwischen den Schluchzern formuliere ich zusammenhanglose Erklärungen: Ich fühle mich so hässlich. Ich hasse meinen Körper so sehr dafür, dass er blutet. Ich will keine Frau sein, Lennard, ich will keine fette, von hormonellen Zyklen getriebene Frau sein. Ich will nicht essen müssen, warum muss ich essen? Ich will nicht verhüten müssen, wenn ich dünn wäre wäre ich nicht mehr fruchtbar, alles so viel einfacher. Ich fühle mich so aussätzig und hässlich, schau mich nicht an, bitte, ich hasse mich so sehr, ich glaube ich verliere den Verstand, Lennard, kennst du diesen Moment in dem du die Klippen siehst in deinem Kopf und du weißt dass du springen musst damit alles aufhört ich kann nicht mehr so leben ich will es nicht mehr halt meinen Kopf fest bitte.
Und er hält meinen Kopf fest. Seine Stimme ist ruhig und fest. Sein Mund formt Sätze: Du bist wunderschön, Phoebe, ich sehe dich an und sehe nichts, das in irgendeiner Form hässlich sein könnte. Auch mit achzig Kilo wärst du wunderschön, auch mit fünfzig Kilo. Scheißegal. Du bist es. Du bist hier. Du bist bei Verstand, Darling, ich halte dich, spürst du es? Du hast deine Tage, weil du irgendwann Kinder bekommen möchtest, und das ist etwas Gutes und nichts, weswegen du dich grämen musst. Du bist eine gesunde Frau, Phoebe, und du bist schön, du bist wirklich schön.
Mit jedem beschwichtigenden Wort rege ich mich mehr auf, meine Paranoia verbietet mir, auch nur eine Silbe zu glauben. Ich wende mich ab. Alleine auf dem Balkon blase ich Rauch in die türkisfarbene Nacht und schüttele mich vor Ekel und Trauer und Fremde. Ich will meine Haut abstreifen, ein neues Gesicht angenäht bekommen, eines ohne Makel. Ich will jedes Gramm Fett an meinem Körper mit bloßen Händen und einem scharfen Skalpell von den Knochen schneiden. Ich will meine Gebärmutter im Biomüll entsorgen und meinen wiedergeborenen Körper 2.0 vierundzwanzig Stunden durchficken lassen, bis er schlaff auf den Dielen zusammensinkt, wund und betstätigt und geheilt von heiligen Händen und Schwänzen. Ich schlage mir gegen die Schläfen.
Ich bin nackt unter meinem kurzen blauen Kleid und ich werde bluten und ich werde essen und ich werde immer diese dialektische Distanz zu dem Menschen haben, den ich liebe. Meine Augen sind rot im Badezimmerspiegel, meine Haare sehen furchtbar aus. Ich habe einen Pickel auf der Stirn, ich weiß dass er das sieht und den ganzen Tag schon gesehen hat und kotze mir ins Gesicht. Hässlich, hässlich, hässlich. Lennard wartet im Bett auf mich. Ich gehe da jetzt hin und höre auf, zu heulen. Klappt nicht. Als ich seine Silhouette in Mondlicht warten sehe, schießen wieder Sturzbäche aus meinen Augen.
Das Leben ist ambivalent.
- Der Tag war so schön und ich werde ihn so in Erinnerung behalten, auch wenn es dir jetzt sehr schlecht geht. Du bist immer noch die Frau, der ich mein Herz schenke, auch wenn du zweifelst und Schwäche zeigst und nicht sehen kannst, was ich sehe, wenn ich dich anschaue.
Ich streife mir den Stoff von der Haut, mit dem Rücken zu ihm, damit er mein hässliches Gesicht nicht sehen kann das seine Behauptung lügen straft. Er umfasst meine Taille und streichelt mich, bis die Tränen abebben. Irgendwann zuckt er und schläft ein. Ich liege noch vier Stunden wach und versuche, den Wahnsinn in mir geräuschlos aufzudröseln.



Freitag, 2. August 2013

Einmal noch.




Lulu weint mein graues T-Shirt nass und es ist okay. Das Mixtape von T. läuft und ich heule und wüte und raffe Kassenbons und Besteck vom Boden auf, ich warne sie vor dem Fehler, den ich begangen habe. Ich sage, dass der T., den ich vermisse und den ich irgendwo immer liebe, dass dieser T. nicht mehr existiert, sage, dass ich weitergehe, dass ich stark bin, dass sie auch stark sein wird. Dass es richtig ist, wenn sie jemanden küsst, der sie so glücklich macht wie Lennard mich glücklich zu machen vermag.
Mir fällt die letzte Geburtstagskarte von T. in die Hände, eine winzige Prinzessin trohnt auf einem großen Berg Geschenke, Tränen tropfen auf die Pappe: "Alles Gute, xxx, dein T." Darunter ein ungelenk gemaltes Strichmännchen mit einem Pfeil - Phoebe. Alles erzittert, Bilder stürmen auf mich ein. Es ist gut. Es geht mir gut. Ich darf weinen um uns, darf weinen um die Verletzungen, die wir uns zugefügt haben. Um Neil Young und die Eagles, um die alte Matratze auf dem Boden, um grün-glasige Blicke, um den Geschmack von Gin und Wodka und Pepsi Light auf seiner Zunge, um seine Stimme wie sie seine Geschichte preisgibt, seinen Duft, um den BDSM-Sex, um seinen klugen Sohn, um seine Tränen auf meinem nackten Rücken, um unsere dreckige Küche, um taumelnde Nachtspaziergänge durch das FrankfurterVillenviertel, um Träume und ewige Lügen, um Luftschlösser, um unseren Balkon in der Psychiatrie, um die Brandnarben auf seinem linken Oberarm und meine Pulsader-Schnitte, um Woodstock, um Sylvester nackt und stumm mit Rotwein in den Laken, um unsere Sitcoms, unsere hitzigen Diskussionen, um seinen Blick in meinem Gesicht, um alle ersten Male, um die Scham, um den Hass, die Vergötterung, um zwei Jahre. Um meine erste Liebe.
Es tut sehr weh in diesem Moment-
Ich glaube, ich muss trauern, weil ich sonst drohe steckenzubleiben. Wenn ich mit Lulu weine, ist es nur befreiend. Nur richtig.
  Es gibt da einen Menschen, der in mir etwas weckt, von dem ich nie geglaubt hätte, dass ich es noch besitze: Hoffnung. So abgedroschen es klingt: Selbstachtung. Zärtlichkeit. Es gibt diesen Menschen, der ein unspezifisches Flattern und Ziehen in meinem Oberbauch auslöst, wenn er mich mandeläugig anlächelt. Der mir Mut macht und Kraft gibt. Der kein Monster ist.
Ich habe eine Scheißangst, glücklich zu sein, das ist es wohl.
Ich idealisiere den Schmerz, weil er herorischer ist und destruktiv und unberechenbar. Glück ist so trivial. Ist es das wirklich? Glück ist, um sechs Uhr morgens von kitzelnden Sonnenstrahlen geweckt zu werden und meine Hand auf Lennards Bauch zu schieben, Glück ist, wenn er sie im Halbschlaf an sich zieht und drückt und mit geschlossenen Augen lächelt. Glück ist die heilige Dreifaltigkeit aus Morgensex, Zigarette und Kaffee. Glück ist ein Regenguss. Glück ist auch, selig grinsend ein Telefonat mit meiner J. zu beenden. Glück ist wenn Lulu mit tränenverklebten Augen sagt: "Hey, ich fände es schön wenn du nachher rüberkommst und bei mir schläfst. Ich hab dich lieb." Glück ist narzisstisch und selbstlos zugleich, Glück ist Liebe und das Gegenteil von Böse.
Ich weiß dass das alles ich bin. Ich kann lieben. Ich kann das größste Arschloch auf Erden sein, und ich kann es bereuen und versuchen, nie mehr so tief zu fallen.
Ich kann glücklich sein! Und bin es. Hier, jetzt, mit T.s Musik im Hintergrund und all den hässlichen alten Päckchen und all den Erwartungen an die Zukunft, nicht mehr anorektisch dünn, tief verstört und doch lebe ich.

You don't see the bottom from the top, einmal noch, für dich. Let it float on down the stream / And we can cry a little / For a time that could have been / Live it all my love / Live it well my love / Live it long my love.
Tränen getrocknet, Zimmer aufgeräumt, Zweifel beseitigt, Nostalgie aus-gelebt. Weiter...

Dienstag, 30. Juli 2013

"And each wasted word makes a wasted line"

Das Chaos in meinem Zimmer aufrechtzuerhalten ist eine Art verqueres Experiment für mich: Was wird passieren, wenn ich den Boden nicht mehr sehen kann? Inmitten all dieser Stationen des richtigen Lebens (in dem ich pausenlos Putzen gehe, mit Lennard liebevolle SMS austausche, auf Pennys Balkon Muffins esse oder mit Mo bei Saturn herumschleiche) kehre ich zurück in meinen zeitlosen Raum, der nach kaltem Zigarettenrauch stinkt. Zwischen all diesen Tagen, die sich wie Telefonbuchseiten mit fahrigen Fingern umblättern lassen - Suche nach Sinn und Namen und Nummern -  ruhe ich in meinem verdreckten Museum der unangetasteten Dinge. Hier stapeln sie sich Erinnerungen und Mahnschreiben.
Ein kleines Paralleluniversum der dysfunktionalen Phoebe: Unter meinem Bett liegt eine Netto-Tüte mit den letzten Reliquien von T. neben den Silikon-Cupcake-Förmchen von Lulu, die längst in der Spülmaschine sein sollten. Nächtelang lese ich Prosa im Internet, sehe mir fürchterlich schlechte Pornos und alte Wallander-Folgen an. Zerpflücke Uni-Texte von Freunden wie ein größenwahnsinniger Ghostwriter. Die Tage im Zimmer Sodom gleichen den Nächten, immer liege ich, immer essend, ich rauche den ekelhaften britischen Tabak und leere die Asche in Joghurtbecher, die mit der Zeit unter getragenen Kleidchen und Holzfällerhemden verschwinden.
Natürlich bin ich nackt. Natürlich widere ich mich an für dieses Leben in diesem Raum - aber draußen funktioniert es noch. Draußen ist meine Haut reingemalt und glattrasiert, mein Chaos und Dreck wird mir als mehr oder weniger sympathische "Verpeiltheit" und "Schlampigkeit", meine Sexbessesenheit als "lustvolles Dasein" angeschrieben. Wenn ich trotzig bin, applaudieren sie. Wenn ich nicht aufhören kann zu weinen, drückt er mich an sich und entschuldigt sich für Dinge, die meine Fehler sind. Ist all das Teil des großen, unbewussten Experimentes zur Unschärferelation? Because it cut to drops each time I tryto make your way across the bottom line.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Tanz der Moleküle.

Auf meinem Laptop steht ein Glas Gin Tonic, ich höre MIA., ich bin glücklich.
Verrückte Welt. Vor einer Stunde lag Lennard auf meiner Brust, meine Hände spielten mit seinem Fünf-Tage-Bart. Er küsste mein Schlüsselbein: "Dein Herz schlägt so schnell."
  "Du hast recht... Das ist alles nur wegen dir!"
  Er lächelte leise. "Was mache ich denn?"
  "Du machst mich so verliebt", flüsterte ich in sein Haar.
  "Und du mich...".
Wir spürten den feinen Windhauch von der geöffneten Balkontür auf der Haut und die Sekunden dehnten sich in kleine Universen. Er küsste mich, wir küssten uns, auf dem Sofa, im Flur, als ich meine Füße in die alten Gladiatorensandalen zwängte. Seine Hände lagen in meinem Kreutz und hielten mich fest an sich gedrückt. "Danke. Du hast mir so sehr geholfen", sein Atem an meinem Ohr. Es war wie in einem dieser Filme, in denen sich die Protagonisten für immer verabschieden und nicht voneinander lassen können, sich trennen und wie Magnete wieder und wieder aneinander schellen, nur schöner. Mein ganzer Körper summte und tobte und zitterte vor Glück und vor Lust und vor Seligkeit. Er brachte mich runter zur Haustür, Küsse im Mondlicht. Ich wand mich aus seinen Händen und floss durch den Garten zum Hoftor, sah ihn ebenso debil lächelnd im Türrahmen lehnen. Du bist so schön, wenn du lachst.
Vor einem Fachwerkhaus spielten drei Katzenkinder. Die Glöckchen um ihren Hals rasselten leise und melodisch, neugierig tapste eines auf mich zu und ließ sich streicheln. Mein Vogelherz tanzt noch jetzt.




Manchmal frage ich mich... [edited]

...ob ich meinen vollkommen "normalen" Körper und BMI vielleicht besser akzeptieren könnte, wenn ich nicht in einen Mann verliebt wäre, der explizit auf dünne Frauen steht ("Aber du bist genau so wunderbar, wie du bist. Ich liebe deinen Körper", hatte ich erwähnt dass ich sowieso niemandem ein Wort glaube?).
Wenn ich Bilder auf tumblr hochladen würde von meinen zellulitösen Oberschenkeln, die beim Gehen aneinander reiben, und das Ganze mit dem Hashtag realtights versehen. Wer weiß.
Vielleicht wenn ich in feministischer Manier die Gesellschaft hinterfragte, die mir dieses Schönheitsideal aufstempelt, welchem ich immer hinterherhecheln werde. Oder meinem Vater in die Fresse schlagen könnte, wenn er mich beim Essengehen fragt, ob ich wirklich Kohlenhydrate zum Abendbrot essen will ("Und überhaupt, Lachs, Sahne? Das ist aber nicht vegan!").
Ich müsste vielleicht all die Bilder von meiner Festplatte löschen, die mich mit BMI-kurz-vorm-Hungertod zeigen, damit ich sie nicht mehr anhimmeln kann.
Der Gedanke fühlt sich an wie Aufgeben.


Edit 15:33:

Lustig, da finde ich gerade bei der Zerstreuung auf vice.de einen Artikel, der das Ganze noch zuspitzt und weiterführt:
"Wie dem auch sei, bis irgendwann später—auf keinen Fall vor 25—will jede das haben, was alle anderen haben, es ist widerlich. Die einzige universell sichere Tatsache ist, dass alle Mädchen dünn sein wollen, aber jede sagt: „Ieeh, dünn ist eklig“, während sie zu Modemagazinen masturbieren. Und eigentlich machen es sich weiße Mädchen auch zu Rihanna, so viel ist sicher.
Du darfst deinen Körper nicht mögen (das wäre „eingebildet“), aber wenn du coole feministische Freunde hast, dann darfst du auch nicht versuchen, ihn zu verändern. Und wenn deine Freunde eher so dem, ähm, Standard-Problemtyp entsprechen, dann darfst du auch nicht nicht versuchen, ihn zu verändern. Die Folge sind eine Kultur von Unaufrichtigkeit, Feindseligkeit und (am schlimmsten) wiederholte „Du bist schön“- und „Du bist hinreißend“- und „Ich würde für deine Beine töten“-Schwüre. COOL. Stell dir vor, wie ich bei dem Gedanken Luft in meine Handfläche kotze."

Was denkt ihr darüber?

Montag, 22. Juli 2013

Resignation totale.

Frage mich, was zur Hölle eigentlich mein Problem ist.
Auf dem Boden neben dem Bett sammeln sich Joghurtbecher, Schokoladenverpackungen, Tassen, Schüsseln, Teller, Tabakkrümel, der Inhalt von umgekippten Aschenbechern, mehrere Ausgaben der ZEIT (noch unberührt), Mückensprays, ein Ventilator (ohne Schutzabdeckung), Tabletten, BHs, Kleidung en masse, Taschentücher, leere Wasserflaschen, Haarnadeln.
In mir sammeln sich Essensreste (fetthaltig, zuckerlastig, das vierfache meines Tagesbedarfs) und wüste Gefühle (ich kann nicht verstehen, dass er es wirklich ernst meint mit mir).
Und diese Hitze! (I got that summertime, summertime sadness)
Ich muss zur Arbeit gehen. Sieben Tage die Woche. Es gibt kein Verzagen, nur Verantwortung, Druck, funktionieren müssen um jeden Preis, ich warte auf den Zusammenbruch in mir oder um mich herum, auf Kraterbildung, auf das Ende des Sommers. Warum so traurig, warum so resigniert, meine Liebe?
Ich kann das faulend-fette Mich und das ominöse Es und das dröhnende Alles nicht mehr ertragen.
Ich will nur noch schlafen, bis die Welle vorbei ist.

Freitag, 12. Juli 2013

"Es bringt halt auch nichts, im Kreis zu rennen aus Angst, dass das Haus einstürzen könnte. Entweder man nimmt die Angst an - konstruktiv - und verlässt das Haus, oder man entspannt sich. Wenn das Haus einstürzen sollte, wirst du es schlecht aufhalten können"

Was passiert, wenn ich einen Schritt vor die Tür mache und mir den vermeintlichen Schaden mit etwas Abstand ansehe?
Was passiert, wenn ich die Füße still halte und meiner Angst keinen Raum mehr gebe?
Werde ich wachsen?
Werde ich mit Porzellan um mich werfen oder mit wohldurchdachten Worten?

Es wird doch alles gut?

In Your Nature.



Eyes above me
eyes are blown
and now just when the wall becomes a hole
I don't want to know

Found me shaking
out of realm
a hunted world
where it never shows
I don't want to go

Feel it corming
through the skin
swallow me whole
let it bury me in
and there I go


It's coming down
like a sharp, curve in the sky
and I don't even know why

If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win

You used to be that
the war was brought
but now the end becomes us again
we never let it in

And in the shadows
a burning light
it's getting deeper for the fight

So run off, run off
let it drip down
you run off, run off
like it was born for you

If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win

And then you go down that old regarded road
and I'm not the one to say "Oh, I told you so"
and you know
oh you know

If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win
If it's in your nature, you'll never win
if it's in your nature, you'll never win
Zola Jesus



Donnerstag, 11. Juli 2013

Der Testbild-Faktor.

Weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Irgendwo, wo ich keinen Zugriff auf ihn habe, soviel steht fest.
An meinem Handgelenk ein Armband aus Lavasteinen aus "La Casa De Los Balcones", neben meinem linken Knie eine Tasse hyperstarker Kaffee gegen das Nachmittagstief, sieche ich fröhlich vor mich hin.
Ich wusste schon beim Aufwachen, dass es so ein Tag werden würde. Er war über Nacht auf die Wohnzimmer-Couch gezogen, war müde und zerstreut.
Ich war müde, zerstreut, und verschwitzt (der schlechte Traum zog Fäden in mein Bewusstsein, auch wenn ich ihn nicht mehr beschreiben konnte).
Durch das schwarze Loch über dem Hals wehen Adorno-Paraphrasen von der Gefahr der Sprache an und für sich; wir sollten sie gar nicht mehr gebrauchen. Alles für nichts. Ich bin...
Still.

Montag, 8. Juli 2013

Fucking fünf Kilos.

Okay: Zum ersten Mal seit drei Monaten auf der Waage und das Resultat meiner perversen Fresserei lacht mich an, grau auf grau. 65,2kg. Ich könnte jetzt sagen, das sind doch nur fucking fünf Kilos, dann fühle ich mich wieder ansehlicher. Ich weiß es. Aber es sind eben auch fucking wabbelige Oberschenkel und Arme, es ist ein fucking aufgedunsenes Gesicht und ein fucking weicher Bauch in der Präsens-Form.
Dieses Gewicht hatte ich seit fucking drei Jahren nicht mehr. Übermorgen kommt Lennard aus dem Urlaub zurück und mein verzweifelt-armseliger Wunsch war, während seiner Abwesenheit signifikant an Gewicht zu verlieren, so viel, wie eben in einer Woche möglich ist; so viel, dass er es bemerken muss. Warum ist mir das so wichtig? Ich habe Probleme, etwas zum Anziehen zu finden. Probleme, zu verdecken was verdammt nochmal nicht zu meinem fucking Körper gehören soll, als wäre mein Ich etwas statisches, verborgen unter Unterhautfettgewebe, und man (also ich) könnte es wie ein Bildhauer freilegen, indem man Schicht für Schicht abträgt.
Ich erinnere mich an die letzte BIA-Messung im Fitnessstudio, das war kurz vor der Trennung von T., also irgendwie im Frühjahr. Die Waage zeigte 52,3 kg an und mein Trainer kratze sich am Kopf: "Naja, bei deiner Größe solltest du mal mindestens 65 Kilo wiegen, das ist viel gesünder und sieht auch viel besser aus." Ich lachte und meinte, ich wolle das Gewicht halten.
Stattdessen habe ich... zugenommen. Was zu erwarten war.
Und sage mir täglich - morgen geht's los. Morgen.

Freitag, 28. Juni 2013

Zwiebeltränen.

Keine Ahnung, was ich erzählen soll. Von der Bügelmaschine? Von meiner konstruktiven Therapiesitzung? Von meiner sexuellen Frustration? Von der Tatsache, dass Lulu nächste Woche nach Israel fliegt? Davon, dass ich mein Chaos nicht gebändigt bekomme, nirgendwo, in keinster Weise? Von ungarischen Zigaretten? Von seinen Albträumen? Von unerschöpflicher Müdigkeit? Von Woody Allens "Stadtneurotiker"? Von meinem Tabletten-Notstand? Vielleicht von den überwältigenden, viel zu schönen Gefühlen, wenn er mich an seinen Körper zieht?
Von Plänen, die keine sind. Davon, wie ich beide Staffeln "Girls" innerhalb von zwei Tagen sehe und Rotz und Wasser heule, als Adam Hannahs Tür eintritt, um sie aus dem Bett zu heben. Ich könnte von dem Buch erzählen, das Penny mir geliehen hat. Von dem kurzen Moment unter der Dusche, als ich meinen Körper für "okay" befinden konnte. Von dem Fleck auf meinem Eckzahn, den Flecken auf meiner Bettwäsche, den weißen Flecken auf meiner Landkarte der obszönen Gedankenspiele, der Angst und dem drumherum.
Von asiatischem Essen. Von Sehnsucht. Von Euphemismen.
Zwiebeltränen und echten Tränen, die sich vermischen, als wir in der Küche stehen und ich ein stumpfes Messer schwinge - mein Herz schreibt Romane, die ich nie verfassen werde.





Sonntag, 23. Juni 2013

My job, my hood. / Soundtrack des Tages.

Jau, ich gehe arbeiten. Montag bis Sonntag um acht Uhr bequeme ich mich in die Gaststätte meines Stiefvaters und putze. Toiletten, Biergarten, Gastraum, Saalbau.
Es ist ganz nett, eine Beschäftigung zu haben (wenn auch im Niedriglohnsektor), ich genieße es, nichts mit Menschen zu tun zu haben sondern autistisch vor mich hin wedeln zu können. Wenn ich um halb acht Kaffee und die erste Zigarette konsumiere, knistert der Balkon ganz herrlich, ein paar Vogel singen sehr diskret. Was will man mehr?
Heute Abend kommt Lennard zurück vom Festival.



Every Day Is Like Sunday - Morrisey
Trudging back over pebbles and sand
And a strange dust lands on your hands
(and on your face...)
 

Sail - Awolnation
Maybe I should cry for help
Or maybe I should kill myself (myself)
Blame it on my A.D.D baby


She Just Wants To Be - R.E.M
It's not that the transparency
Of her earlier incarnations
Now looked back on
Were rich and loaded
With beautiful vulnerability
But now she knows
Now is greater
And she knows that.


In Your Nature - Zola Jesus
Found me shaking
Out of realm
A hunted world
Where it never shows
I don't want to go



Wishful Thinkung (The John Peel Sessions) - Pulp
And I still have dull aching pain
Desire to reach and touch you once again
Distractions cannot sate the need

It grows once more, it grows once more

Samstag, 22. Juni 2013

Inside your pretending / crimes have been swept aside / somewhere where they can forget.

Gibt es etwas demütigenderes, als Unterwäsche anzuprobieren und seinen weichen Körper in Pseudo-Reizwäsche gezwängt in diesem furchtbar grellen Licht ausgeleuchtet zu sehen? Kleine Panikattacke, ich schwitze ohne Ende. Drei Höschen landen auf dem Band (weiß, schwarz, Spitze, alle in verschiedenen Größen). Die Kassiererin sieht aus wie Miss Piggy. Ich greife eine Packung Toffifee, mein Spiegelbild in der Rolltreppe ist die reinste Folter.
Ja, es geht immer noch demütigender! Vor dem Kaufhof laufe ich T.s Exfrau inklusive Sohnemann in die Arme. Ich ignoriere sie und schäme mich dafür. Aus dem Augenwinkel versuche ich, ihre Kleidergröße einzuschätzen. Willkommen im Kopfkino einer traurigen Existenz: Nacktbilder von T.s anderer Exfreundin (durchtrainiert, braungebrannt, nasses Haar), Bikinifotos von seiner Exfrau (kurvig, Sonnenbrand, enorme Oberweite), meine Wenigkeit hingegossen auf seinem Bett (milchig-weiße Haut, zerstrubbelte kurze Haare, blau-gefleckte Brüste und frisch vernarbte Unterarme) und in unserem Flur-Spiegel vor zwei Jahren (Knochen, Knochen, glühende Augen, endlose Beine und Schatten und Knochen). Verdammte Scheiße.
Gibt es etwas demütigenderes als das Wissen, wer man sein könnte, hätte man die Kraft dazu? Wer man war und wie man sich geschämt hat? Wie man sich hat benutzen lassen? Wie man gelogen hat?
Ich senke den Blick und stolpere zur Bushaltestelle, höre Portishead ("Did you really want? Did you really want?"). Auf Toffifee folgen Käsespätzle, auf Weinen folgt Wut, auf Bilder folgt Leere, vier Zigaretten. Einsamkeit ist nicht unbedingt die Abwesenheit von Gesellschaft, sie kann auch Reizüberflutung sein, Schritte im Treppenhaus, das Wissen um sechs Milliarden Vollidioten. Einsamkeit in meiner Glasglocke Selbsthass.
Histrionische Persönlichkeitsstörung, sehr spaßig. Hat was mit Hysterie zu tun und mit Oberflächlichkeit. Ich möchte nicht sehen, dass die Frauen, mit denen ich in der Klinik war, wieder nach Heroin-Chic aussehen. Ich möchte nicht meine Oberschenkel kaschieren müssen, Berührungen nur noch im Dunkeln genießen können. Eigentlich möchte ich mir wehtun, aber meine Eitelkeit ist stärker (Narben kommen einfach Scheiße im Sommer). Gibt es etwas demütigenderes als nicht gesehen zu werden?

Donnerstag, 20. Juni 2013

Shortcut.

Ich wache auf, als das Unwetter beginnt - die Dokus auf 3sat sind unbemerkt in einen Film Namens "Amateur" übergegangen (es geht um einen Pornoproduzenten mit Amnesie und Isabelle Huppert als nymphomane Ex-Nonne), der mich irgendwie fesselt, sei es nur aufgrund der blaugefärbten Bilder. Ich fühle mich wie jemand, der eine große Auflaufform kalte Lasagne in sich hineingewürgt hat und zwei fette, juckende Herpesbläschen auf den Lippen spazieren trägt. Ziemlich widerlich und pervers im Großen und Ganzen, ist der Tod näher als das Leben.

Edit 3:30am
"Der freie Wille" ist auch so ein Film. Sehe ihn gerade zum zweiten Mal und bin fassungslos vor Ekel und Traurigkeit und ob meiner Schwere. Determinismus? Die Gedanken reisen zu Szenen mit Rasierklingen und Schwänzen, und zum Meer. Ich wusste gar nicht, dass Belgien Küsten besitzt.

Sonntag, 16. Juni 2013

Wasser bei die Fische.

Es ist ja nicht so als hätten sie nicht Recht behalten. Discounter-Cookies kauend verschwinde ich leicht bekleidet in den Tiefen der Bettengrotte, die Füße klammern sich an Metallstäbe und Zipfel von IKEA-Bettwäsche. Wenn ich die letzten Tropfen Wasser trinke, schraubt sich immer diese Kamel-Karawanen-Assoziation in meine Gedanken, Wüste, Weite, quälender Durst.
Hässlich und dumpf, wie ich bin, schließe ich die Welt aus und zweifle. "Ich glaube, Leben heißt für mich reine Gegenwart. Ich neige dazu, in der Vergangenheit zu verweilen oder mir die Zukunft auszumalen. Wirklich leben bedeutet wohl, den Moment wie er ist auszukosten und dabei mit sich selbst im Reinen zu sein, weil es in der Vergangenheit nichts mehr gibt, was traurig stimmt und in der Zukunft nichts, was ängstigt.", schreibt Anna und trifft mit dem Kopf den Nagel, meinen Nagel. Nüsse in Honig und Salz sind auch nur Fluchtfahrzeuge in meinem perfiden Überfall-Szenario; der Ekel vor dem eigenen Körper kann nur Mittel sein, nie das Ende. Ich will nur wissen, warum das Früher so unglücklich war. Das Jetzt benutzen wissen, irgendwann.
Es ist ja nicht so, als hätten sie nicht Recht behalten, mit all ihrem Metaphern und Hypothesen und geschmackvoll eingerichteten Gesprächssituationen, mit der Wut und der Sanktionierung, mit den großen Ideologien. Vielleicht ist es Zeit, die Affenzehen zu lösen, den Affentorso aufzurichten und ein paar Schritte mit geschlossenen Augen zu machen. Was ist das, Spaß? Was ist das, Hunger? Was ist das, Akzeptanz und Einsicht? Es ist dieser verzweifelte Durst im Sommer.

Freitag, 14. Juni 2013

Flickzeug.

Eine andere Welt, dabei ist es gerade mal ein gutes Jahr her, dass...


Gestern: Meine Mutter und ich machen den obligatorischen Wocheneinkauf bei LIDL. "Mama, ich finde das so fies, dass an der Kasse die ganzen Süßigkeiten stehen. Das ist so suggestiv und für willensschwache Menschen wie mich..." - "Für die Kinder, für die quengeligen, kleinen Kinder, die mit ihren Müttern in der Schlange stehen. Du bist doch ein Kind, Kleines.", sie versucht mich in eine Umarmung zu ziehen. Ich winde mich heraus. Mein Selbstwertgefühl befindet sich in der Nähe des Erdkerns. "Ich will heute fasten, glaube ich". Sie zuckt mit den Schultern und fängt an, die Einkäufe auf das Band zu legen.

Gegen Abend werden die Vorsätze über Bord geworfen, als Lennard mir schreibt, ob ich Lust hätte, zum Grillen in die WG zu kommen. Wer bin ich, einen Abend unter lieben Menschen auszuschlagen, nur weil ich denke, auszusehen wie Dresden 45? Seine Haare sind wieder sehr kurz, er füllt Alu-Schiffchen mit Süßkartoffeln und Zucchini. Auf dem Balkon stehen Howard und Penny, er stochert in seinem Besserverdiener-Grill herum, sie raucht und bespricht mich mit heiserer Rock-im-Park-Stimme, ich genieße es, nicht geben zu müssen. Lache vorsichtig, stebe aus dem Kamerafokus.
Vier Stunden später hält er mich im Arm und ich lasse los, Kopf aus. Ich will, dass die Wunden schneller heilen.

Dienstag, 11. Juni 2013

Wo?

Bloß aufpassen -
dass das Glas Cuvée nicht kippt und meinen weißen Teppich in einen hässlichen Tatort verwandelt.
Bloß die Bässe laut genug aufdrehen, dicke Kopfhörer - 

"In deinem Bett bin ich sicher vor den Klippen der Welt - 
Meine Rebellion ist an deinen Lippen zerschellt - 
Du bist der Abspann vom Film und ich sitze noch da".
Bloß die Contenance wahren.
Eigentlich geht das ganz gut, ich bin transzendent, werde ruhiger und wärmer.
Meine Augen tränen ein bisschen -
vielleicht vom beißenden Rauch -
vielleicht von den Bildern auf  "A Softer World".
Es fühlt sich nur so gut an -
dass es wehtut (und die Sehnsucht nicht abreißt).
Mein Kopf ist Brei -
wäre er auch ohne Wein, ich kann kaum einen Satz zuende bringen -
geschweige denn einen sinnvollen.
Ich melde mich wieder, wenn ich es verorten kann.

Wichtige Neuerung: "I Wanna Be Adored" ist Vergangenheit. Das war unser Lied. Es gibt dieses uns nicht mehr und ich möchte nicht durch meinen Blog an T. erinnert werden. Neuer Arbeitstitel: "New Dawn Fades", weil es wohl der Song meines Lebens bleiben wird:

A change of speed, a change of style.
A change of scene, with no regrets,
A chance to watch, admire the distance,
Still occupied, though you forget.
Different colours, different shades,
Over each mistakes were made.
I took the blame.
Directionless so plain to see,
A loaded gun won't set you free.
So you say.

We'll share a drink and step outside,
An angry voice and one who cried,
'we'll give you everything and more,
The strain's too much, can't take much more.'
Oh, I've walked on water, run through fire,
Can't seem to feel it anymore.
It was me, waiting for me,
Hoping for something more,
Me, seeing me this time, hoping for something else.


Samstag, 8. Juni 2013

Passive Agressive.

Autosuggestiv The Stone Roses hören bringt's wirklich. Es ist immer noch ekelhaft warm (ich bin wirklich ein Winter-Mensch), ich bin immer noch die vollgefressene, unförmige, ungeduschte, unausgelastete, asexuelle, wehleidige Ausgabe meiner Selbst, aber es geht. Irgendwie. Besser als gestern.
Der Gedanke alles hinzuschmeißen, heute Nacht noch präsent, ist wieder abgetaucht. Irgenwie gewöhnt man sich daran, dass die Schübe kommen und gehen, sinuskurvenförmig Ping-Pong mit meinem Lebensmut und meiner geistigen Verfassung spielen. Abwarten und Kaffee trinken - Selbstwirksamkeit ist was anderes, Eigenverantwortung auch.

Vorgestern: Frau L. fragt mich, warum ich zu allem "Ja und Amen" sage. Ich muss passen, spiele mit Lulus Uhr an meinem Handgelenk und halte Tränen zurück. Sie mustert mich lange und wartet. "Wissen Sie, wenn ich könnte, würde ich wahnsinnig gerne allen mal meine Meinung sagen, unzensiert." - "Wer sind alle?" - "Alle eben." - "Und was würden Sie sagen?" - "Was ich wirklich denke." - "Was hält Sie denn davon ab? Glauben Sie, Ihr Umfeld könnte Ihre Agression nicht aushalten?"
Jackpot, Sie haben es erfasst. Ich glaube, dass meine wahre, bedürftige, verletzliche, zickig-launische, lustlose, unendlich wütende, großspurige, habgierige, dümmliche, eifersüchtige, dramatische, suizidale, nervtötende, emotional in vielerlei Hinsicht traumatisierte, hungrige, polternde, winzig kleine, unstete Persönlichkeit niemand, wirklich niemand ertragen könnte. Deswegen schlucke ich lieber. Alles. "Ich schlucke alles, wissen Sie?!", ich werde laut und reiße die Augen auf.
Frau L. ist ganz ruhig. "Ihr Problem ist, dass Sie nur diese eine Sicht auf Sie selbst zulassen. Sie denken, jeder würde Sie verurteilen und Sie exakt so negativ einschätzen, wie Sie selbst es tun. Sie wollen ja auch nichts anderes hören, Komplimente sind Lügen, Nettigkeiten sind eigennützig, Sie ertragen weder Umarmungen noch Zuspruch. Wer Ihnen sagt, dass er an Sie glaubt, setzt Sie unter Druck. Sie lassen niemanden an sich."
"Im Gegenteil, ich lasse viel zu viel viel zu nah an mich." - "Das ist kein Widerspruch. Aber Ihre Beziehungen sind einseitig, solange Sie Ihr Selbstbild verteidigen." - "Das ist Selbstschutz." - "Ich weiß. Aber wovor schützen Sie sich? Was sollte ich Ihnen schlimmes antun?" - "Sie könnten über mich triumphieren, mich manipulieren, mir meine Kritikfähigkeit nehmen..." Sie schüttelt den Kopf.
Ich erzähle ihr von meinen Fressgelagen und dass ich Schwierigkeiten habe, das Haus zu verlassen. Ich jammere. Ich heule rum, dass ich nicht kotzen kann, "...nur neulich, wissen Sie, da habe ich meinen Kotzpunkt gefunden, glaube ich. Beim Oralsex. Seitdem denke ich, wenn ich nur lange und tief genug in meiner Kehle bohre, müsste ich es doch schaffen... Denke ständig daran, ein Ass im Ärmel." Ich schildere grausame Träume von inzestuöisen Vergewaltigungen durch meine Mutter, taste mich durch Kindheitserinnerungen (Wie ich meinen Vater beim Masturbieren erwischte - Teil 1-4, Wie meine betrunkenen Eltern alle Hemmungen verloren - das Archiv, ect). Am Ende der Sitzung schlage ich meine Schienbeine, um mich wieder zu spüren. Wütend bin ich und stumm.

Freitag, 7. Juni 2013

Ich will nicht mehr der Mensch sein, der ich bin.

"About:Kate", Folge sechs, Minute 13:30 - Selbsterkenntnis, Déja-vu, Realitätsflash.



Therapeutin: Sie sehen gut aus!

Kate: Danke. Sie aber auch.
Tja... Mir gefällt's hier so langsam. Doch wirklich man... Man wird hier gut beschäftigt, das ist... beeindruckend. Sie könnten Ihre eigene Fitness-DVD rausbringen.

Therapeutin: Frau Harff... Ihr sarkastischer Humor ist wertvoll. In unseren Sitzungen brauchen Sie sich jedoch nicht dahinter zu verstecken.

Kate: Haben Sie gewusst, dass man mich rausschmeißen wollte?

Therapeutin: Wer wollte Sie rausschmeißen?

Kate: Die Klinikleitung.

Therapeutin: Ich denke nicht, dass man Sie rausschmeißen wollte.

Kate: Also wussten Sie's.

Therapeutin: Man hat mich darüber informiert, was vorgefallen ist.

Kate: (Der Stasiverein.) (Paranoia Paranoia!)

Therapeutin: Sie sind eine erwachsene Frau, Sie müssen wissen dass ihr Handeln Konsequenzen hat. Hätte es Ihnen besser gefallen, ich hätte voll all dem nichts erfahren?

Kate: Ist mir doch egal ob Sie...

Therapeutin: Ist es das?

Kate: ...völlig.

Therapeutin: Warum dann Ihre Frage?

Kate: Weil mich interessiert, wie Ihr Laden so funktioniert. Wer mit wem unter einer Decke und so. (Paranoia Paranoia Paranoia!)

Therapeutin: Fühlen Sie sich... „außen vor“? Ausgeliefert? Ohnmächtig?

Kate: Nö.

Therapeutin: Haben Sie das Gefühl, wir wären nicht auf Ihrer Seite?

Kate: Es geht hier um Hilfe, nicht um Bestrafung, nicht wahr? Ph. Mein Tag ist nur noch 'ne Trainingsmontage.

Therapeutin: Wissen Sie noch, was Sie mir am Ende unserer letzten Sitzung gesagt haben, Kate?




Kate: Verschwommen.

Therapeutin:
Sie waren sich plötzlich sehr sicher, dass Sie hier hingehören. Und dass Sie wissen wollen, wer Sie sind.

Kate: (weint)

Therapeutin: Warum haben Sie sich entschieden, derart viel Hustensaft zu trinken?

Kate: (weint)

Therapeutin: Was ist das für eine Situation, in der Sie sich gerade befinden?

Kate: ...'ne peinliche.

Therapeutin: Ich, ähm, ich konnte Sie nicht ganz verstehen.

Kate: Eine peinliche, eine peinliche Situation.

Therapeutin: Was ist Ihnen gerade peinlich?

Kate: Ph. Dieses... gesamte Tribunal.

Therapeutin: Sie erleben unser Gespräch als ein Tribunal?

Kate: Das haut einfach nicht hin, ich... Ich finde das nicht in Ordnung, schon heute morgen: Ich werde hier behandelt wie ein kleines Kind. Jetzt werden mir schon meine Sachen weggenommen.

Therapeutin: Wie sind Sie denn in diese Lage gekommen?

Kate: Durch Sie. Sie alle mit Ihren Vorschriften und Plänen.

Therapeutin: Gab es von Anfang an so viele Vorschriften?

Kate: Essenszeiten, dieser Frühstücksdienst...

Therapeutin: Sie mussten Ihr Essen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens einnehmen und gelegentlich beim Aufdecken helfen. Noch etwas?

Kate: Am Ende ist doch alles reglementiert.

Therapeutin: Sollte es sich dabei ausschließlich um die von Ihnen genannten Punkte handeln, ist es eigentlich gar nicht zu viel. Oder?
…Haben Sie sich in der Vergangenheit schon einmal so reglementiert gefühlt?

Kate: Als Kind.

Therapeutin: Durch wen?

Kate: Meine Eltern.

Therapeutin: Wie haben Sie sich in diesen Situationen verhalten?

Kate: Ich habe mich ihren Regeln widersetzt.

Therapeutin: Was ist dann passiert?

Kate: Ich wurde bestraft.

Therapeutin: Wie?

Kate: Durch noch mehr Regeln.

Therapeutin: Ein erfolgreiches Konzept?

Kate: Was wollen Sie mir eigentlich sagen? Dass ich durch meine „Rebellion“ selber schuld bin an meiner     Unfreiheit?

Therapeutin: Manchmal reinszenieren wir Standardsituationen aus unserem Leben, die wir noch nicht bewältigt haben, wir führen sie wieder auf weil wir noch nicht mit ihnen abgeschlossen haben. Alte Rollen, die noch keine Katharsis erfahren haben...




Kate: Und meine Rolle soll die des ungehörigen Kindes sein, oder was? Das ist doch ein Scheißklischee!




Die ganze Serie online sehen...


Außerdem: Endlich Essens-Overkill nach ein paar Tagen des exzessiven Fressens: Heute erstmals keinerlei Gelüste mehr.

Mittwoch, 29. Mai 2013

Doch.

In you I see dirty
In you I count stars
In you I feel so pretty
In you I taste god
In you I feel so hungry
In you I crash cars
We must never be apart-

(Smashing Pumpking - Ava Adore)



Es ist großartig und schauerhaft und warm. Alles leuchtet, der Regen und die Netzhaut. Ich schlafe tagsüber, wühle mich durch spinnenhafte Träume und halbseidene Gespräche mit meiner Schwester ("Danke für den Tabak"); ich fahre in Zeitlupe mit meiner Mutter zur Therapie und lasse in den Sitzungen Seifenblasen aufsteigen und bersten, nicht ohne Tränen zu vergießen und unvermittelt breit zu grinsen.
In der Uni, Gasthören in Pennys wirtschaftsgeographischer Vorlesung über Innovation und Invention, vermale ich unleserlich krakelige Buchstabenkombinationen zu Sinnzusammenhängen und genieße das Kribbeln im Gehirn - wie schön Lernen doch sein kann, wie befriedigend Studieren sein muss. Wir fahren zurück, Kaffee auf ihrem Sonnenbalkon, und assoziieren einen halben Tag lang. Ich bin sehr glücklich, sie nun in meinem Leben zu wissen, kann auf ihre klugen Beobachtungen und ihr lautes Lachen bauen, wir helfen einander. Die Angst, dass binnen eines Wimpernschlages zwischenmenschliche Kartenhäuser laut krachend in sich zusammenfallen könnten - sie ist versiegt. Menschen sind keine Karten mehr, sondern Grashalme im Wind.
Stunden später liege ich auf Lennards Schulter und fühle mich frei. Das metallene Band um meine Brust ist gelockert, der Atmen fließt wie seine Stimme in die Nacht. "Wie geht es dir jetzt?", fragt er vorsichtig. "Ich bin so erfüllt von dem Gefühl, erkannt zu werden und gleichzeitig zu begreifen, mich und dich und uns. Unendlich glücklich, das bin ich". Ich drehe mich zur Balkontür und spüre seinen Atem in meinem Nacken, seinen Körper in meinem Rücken. Erschaudern, zittriges, stolperndes Herz, fast schon zu viel der Nähe, so unerträglich klar ist der Moment. In meinem Kopf ein Wirbel von Farben und Eindrücken und die Erfahrung seiner Hände auf meiner Haut. Es kann ungemein verbindend sein, Sex mit dem Gehirn zu haben.
Die Zeit schlendert und bleibt hin und wieder stehen, so ergiebig und wohlwollend wie sie es nur in diesen magischen Nächten tut. Irgendwann ergreift der Körper das Wort und kommuniziert jene Phänomene, die mit Sprache allein nicht zu erfassen sind: Nervenenden, Elektrizität, extatische Zuckungen, das Rascheln der Laken, hedonistisches Ultimatum.
Heute morgen dann registriere ich, dass es mich trägt. 







Mittwoch, 22. Mai 2013

Fluchtpunkt.

Schokolade (zwei Tafeln), Milchkaffee mit Sojamilch (2 Liter), Meeresfrüchte (aus Nougat, 1 Packung à 250g), Müsli (100g), Pistazien (halbe Tüte), Salat mit gebratenem Tofu (lecker!), Erdbeeren (Hand voll), Ciabatta mit Butter und Käse (zu viel), Brot (roh), Fleischsalat (pur), eine Tüte gesalzene Mandeln. Das war noch ein "guter" Tag.

Mir fehlt es an Körperspannung, ich fühle mich wie ein schlaksiger Schrat von dreizehn Jahren mit unproportionierten Fettpölsterchen an Armen, Beinen, Hüften und Bauch. Das Gesicht nicht zu vergessen.
Ich krümme den Nacken und verschwinde in Opas grauem Pullover, quadratisch praktisch gut kompakt.
Innen hält sich die Waage: Sicherheit und Abwesenheit, totale Ambivalenz. Pläne, Konzentration und Funken - Selbsthass, Angst und Lethargie. Depression. Merke: Ausgeglichen ungleich gut, wenn man es mathematisch aufzieht.
Jeder weitere Atemzug macht die Luft schwerer. Der Puls klingelt in den Ohren. Ich öffne den Mund, um meiner Mutter zu antworten, aber da kommt nichts. Keine Stimme und keine Bewegung.
Nicht mal Lust, eine Zigarette zu rauchen, gar nichts, nothing, rien, niente.
Alles ist so flach und eben. Ich bin nicht zu erreichen, wenn ich hier bin.
Gleichzeitig sehne ich mich danach, erreicht zu werden, auch wenn ich weiß dass es unmöglich ist.
Ich bin der Punkt am Horizont. Ich bin der tote Affe im Sand. Ich bin in meinem schäbigen Gehirn gefangen.
In die Schlafstarre mit diesem grotesken Körper!
Worte heraufbeschwören und schlucken, Berührpunkte erinnern (auch wenn man nichts fühlt außer dem chaotischen Grauen eines post-katastrophalen Szenarios aus Sicht der Gegner).

Samstag, 18. Mai 2013

Wenn drei Feuerzeuge neben dir liegen und keines beim letzten Versuch eine Flamme spendet, die groß genug wäre um damit Brand zu stiften. Teil II

Nach dem Telefonat mit Lennard:
Ich betrachte fasziniert meine untoten, verheulten Augen im Spiegel und atme tief aus. Dann gehe ich in die Küche, um in Zeitlupe Kaffee zu kochen. Ich klaue ein Zigarillo aus dem Pall Mall-Päckchen meines Stiefvaters und stoße die Balkontür auf. Der Kontrast zu meinem kühlen, abgedunkelten Zimmer erschlägt mich: Grün! Sonne! Ohrenbetäubendes Vogelzwitzschern! Zarter Wind um die zittrigen Beine in hässlichen Jeansshorts.
Ich stelle meinen Kaffee auf einen Blumentopf und verbrauche fünf Streichhölzer, um mir Feuer zu geben.
In der Balkontür spiegelt sich eine durchgeknallte Frau mit roter Nase und ungekämmtem Haar, ich winke ihr gedankenverloren. In ein paar Monaten werden wir darüber lachen, hat er gesagt, wir beide zusammen.
Die Zeit rinnt. Plötzlich wieder lebendig, rauche ich auf Lunge.
Die Maxime meines Lebens sollte lauten: Weiter denken als bis zur nächsten Zigarette. Damit wäre schon einiges gewonnen. Ich bin extrem talentiert darin, gute Absichten in untragbare Konsequenzen zu transformieren, das war ich schon immer. Fallbeispiel der Stunde: Spontaner Kauf eines Festivaltickets ohne vorher Rücksprache zu halten mit denen, die involviert sind: Wie hast du dir das vorgestellt? Gar nicht. Pathologischer Aktionismus. Vor den Kopf gestoßen... vor vollendete Tatsachen gestellt... wusste nicht, wie ich reagieren sollte... du wolltest mir und dir eine Freude machen, ich weiß, aber das war ein bisschen unüberlegt... Das war so nicht geplant, ehrlich gesagt war es gar nicht geplant. Ich weiß.
Zwischen meinen Schluchzern bringt er mich wieder zum Lächeln, mein Handy tropft, ich wische mit dem Bettbezug über mein fleckiges Gesicht. Ein minimaler Anklang von Zuversicht, ein nuancierter Unterton, willkommen in unserer kleinen Stadt...


Ich bin jetzt ruhiger und könnte drei Stunden schlafen.

Wenn drei Feuerzeuge neben dir liegen und keines beim letzten Versuch eine Flamme spendet, die groß genug wäre um damit Brand zu stiften.

Benutzte Müslischalen und Kaffeetassen, Tabakkrümel, Bücherberge und aufgeschlagene Zeitungen voller rätselhafter Codes, ein Haufen dreckiger Wäsche, Knoten in der Brust, Kontoauszüge, ein verhasstes Mobiltelefon und ich, inmitten meiner Schatten von grau zu schwarz zu unsichtbar.
Mein Chaos ist perfekt durchchoreographiert, es beginnt bei meinen klebrigen Fingern und endet zwischen Zwerchfell und geteerten Lungenflügeln in einem zitternden, gefräßigen Schlund: Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich Angst habe. Kann gar nicht so viel weinen, wie ich Schmerzen verspüre.
Ja, das ist wehleidig und ich bin es zumindest meiner Therapeutin schuldig (wenn nicht sogar meiner Mutter), strategisch vorzugehen, es ist Krieg. Aber wo anfangen?
Wenn man unendlich ist, gibt es keine körperlichen Grenzen und keine metaphysichen, der Tod lümmelt auf dem Teppich vor der Glotze und sortiert Rasierklingen, sein Blick ist weit und seine Finger aschgrau. Er nickt mir unmerklich zu - Guten Morgen, Frau R., ich wollte Ihnen nur mittteilen, dass ich bereit bin. Bereit, wenn Sie es sind, Clarice.
Wer sitzt daneben? Zwei Silhoutten meiner Selbst, eine ausgezehrte Kreatur ohne sekundäre Geschlechtsmerkmale und ein Koloss mit Schokoladenmund. Seid ihr die Optionen? Ich suche den Raum ab nach einem vernünftigen Selbstbild, vielleicht Phoebe mit Abiturzeugnis oder Phoebe in einem Auto oder Phoebe Hand in Hand mit einem Menschen, der sie glücklich macht. Das sprengt offenbar meine Phantasie, wir sind immer noch alleine, meine Monster und ich.
Der Tod bedient sich bei meinem Tabak.
Die ausgezehrte Kreatur kokst und wippt manisch mit dem Fuß.
Der Koloss schlägt rhytmisch den breiigen Schädel gegen die Dachschräge.
Gute Gastgeberin, die ich sein möchte, bleibe ich passiv und lausche.
Flugzeuge im Bauch und über meinem Fenster, jemand kehrt im Hof. Ich schwitze. Mein Gesicht ist taub und aufgedunsen, alle Türen offen rast das Herz den Gedanken nach und pumpt und pumpt.
Meine Schuldgefühle bringen mich um den Verstand: Nie wieder jemanden vor den Kopf stoßen, nie wieder jemanden fordern, nie wieder fett sein. Ich denke über Gebete nach und über Filmsequenzen (Denn sie wissen nicht, was sie tun; The Dark Knight). Alles so weit weg, mein Körper zu eng und zu groß, meine Augen zu blind, ich hasse meinen Vater und meine Schwäche mit verzweifelter Intensität.
Frau L. sagt, da ist ein Überlebenstrieb. Wo zur Hölle ist mein Geld? Wo ist meine Selbstachtung (rhetorische Frage, klar)?
J. kommt später auf einen Kaffee vorbei und ich weiß noch nicht, welche Haut ich tragen werde um ihr die Milch für den Kaffee aufzuschäumen. Die Furcht ist meine Glasglocke und mein Segelboot.
Einmal nur in einer Umarmung ankommen!

Freitag, 17. Mai 2013

Hasenherz.

Die Hochs sind zu hoch, die Tiefs zu tief.
Wobei die Tiefs überwiegen: Kilmometer für Kilometer in Richtung Erdkern sinken und die Frage, wozu frieren, wozu Worten Atem geben, wozu?
Die Weltenschwere, nennst du das. Und sagst, dass das kleine Glück immerzu wartet.


Ich hasse mich so sehr.




Radiohead - How To Disappear Completely
Iron and Wine - Waiting For A Superman
Tocotronic - Die Neue Seltsamkeit

Dienstag, 14. Mai 2013

50 gute Gründe, sich 10.000 kcal reinzupfeifen.


1. Mir geht's zu gut.
2. Meine Mutter hat eingekauft.
3. Ich bin alleine zu Hause.
4. Mir geht's dreckig.
5. Ich bin ohnehin satt bis übersättigt.
6. Hunger.
7. Hunger (seelischer Natur).
8. Ich war nicht im Fitnessstudio.
9. Langeweile.
10. Zu viel Stress.
11. Meine Mutter hat gekocht.
12. Jemand sagt mir, ich sei "dünn".
13. Jemand sagt mir, ich sei "fett".
14. Da sind Reste im Kühlschrank.
15. Ich war im Fitnessstudio.
16. Angst.
17. Ich fühle mich unverstanden.
18. Meine Beine sehen verdammt fett aus.
19. Jemand gibt mir etwas zu Essen.
20. Ich habe Geld.
21. Mein Bauch ist schön flach / hässlich aufgebläht.
22. Es ist vier Uhr morgens.
23. Da gibt es ja einen Süßigkeitenautomaten!
24. Ich wiege mich.
25. In unserer Wohnung gibt es ja Schokolade!
26. Ich komme gerade von der Therapie.
27. Ich muss Zeit totschlagen, warte auf etwas bestimmtes.
28. Nervosität.
29. Nihilismus.
30. Ich hasse mich, yippieh yeah!
31. Lulu backt Kuchen.
32. Wenn ich tot bin, ist es auch egal wie viel in meinem Magen war, oder?
33. Ich bin pleite.
34. Verzweiflung.
35. Wenn ich eigentlich gerne schreien möchte.
36. Das Buch / der Film ist zu Ende.
37. Gefühl innerer Leere.
38. Ich habe zugenommen.
39. Jemand, den ich kenne, hat abgenommen.
40. Alle glotzen mich an.
41. Herzschmerz.
42. Habe keine Drogen zur Hand.
43. Alles ist perfekt.
44. Ich fühle mich ungeliebt.
45. Autosuggestion: Ich werde schon aufhören können (denkste!).
46. Mir ist eh alles scheißegal.
47. Irgendwer sagt, ich solle mehr essen.
48. Flashbacks.
49. Ich sehe in den Spiegel.
50. Blutzuckerabfall.





Mag noch jemand etwas hinzufügen?


Montag, 13. Mai 2013

"Und sind wir umstellt von unserem Scheitern, dann bauen wir auf Räuberleitern."



Der Druck fällt, Brust schwingt wieder federleicht,
kein Monster mehr, das aus dem Nebel steigt,
mehr Monster werden kommen, doch sie kommen
erst mit dem Dunst raus am Abend.
- Und sollen sie doch kommen, denn wenn sie komm’,
werd’ ich alle erschlagen.

(Prinz Pi - Unser Platz
)




Abgesehen von den obligatorischen Geldsorgen geht es mir wirklich gut. Amen.
Zusammenfassung der letzten fünf Tage in Stichworten: Aufbäumen der anorektischen Gedanken in der Therapie - Fressgelage extrem - Sehnsucht - spontaner Nachmittag mit Penny auf ihrem Balkon - interpersonelle Konflikte dekonstruieren - Bowling mit den Leuten ihres Freundes - Vorstellungsgespräch am Samstagvormittag bei einer Nachhilfeschule um die Ecke - wunderschön entspannter Nachmittag mit Lennard inklusive ernstem und aufrichtigem "Beziehungsgespräch" - Spieleabend zu viert ("Das Spiel dauert neunzig Minuten und am Ende gewinnt immer Penny") - zwei professionell gebaute Joints um halb zwei Uhr morgens - die Musik unserer Eltern und endlose Lachflashs - der beste Sex meines bisherigen Lebens - unterbrochen von einem plötzlichen Übelkeitsanfall seinerseits (ich dachte, so etwas passiert nur in Filmen) - Zigarette nackt auf dem Balkon - Sorge - Besserung - gemeinsames, zugedröhntes Einschlafen - gemeinsames, zugedröhnt-verkatertes Aufstehen um halb neun morgens - Knack-und-Back-Brötchen mit Erdnussbutter und Marmelade - Sims-City-Let's-Play schauen und im gleichen Rhytmus atmen - übereinander herfallen - vollends erfüllt und high ins Auto meiner Mutter springen und zu meinem Opa fahren - unterwegs mit Lulu deutschen Hip-Hop hören (Käptn Peng, Prinz Pi, Casper) - Opa aufpicken und zusammen essen gehen - in einer wunderschönen Altstadt im Odenwald das einzige und ekelhafte vegetarische Gericht bestellen (zerkochtes, ungesalzenes Gemüse mit Sauce Hollandaise) - das "Grab" meiner Oma besuchen, welches eigentlich ein Baum ist, vor dem ihre Urne vergraben wurde - Kakao trinken und durch den Wald tanzen - eine Kinderschaukel, losgelöstes Lachen, Erinnerungen leben, Glück - auf der Rückfahrt im Auto Radiohead hören und einschlafen - zu Hause weiterpennen - die Nacht mit klugen Texten, wilden Theorien und Pornos verbringen - Montagfrüh mit Lulu Kaffee trinken - Fitnesstudio: 1000 kcal verbrennen - philosophische Texte im Bus lesen - zärtliche SMS mit Lennard austauschen - die Sparkasse hassen, welche mein Geld zurückhält - von Mama Strumpfhosen gekauft bekommen - für Lulu vegane Zucchini-Spaghettie-Carbonara kochen - mit ihm am Telefon Alltagsgeschichten austauschen und verliebt sein in eine dunkle Stimme Ohr Herz und Kopf - die Glotze anmachen und den Tag mit kritischen Dokus und Frank Plasberg ausklingen lassen





Ich sitze hier seit einer Stunde in Lulus tollsten Mantel gehüllt (Raucherzimmer wollen gut gelüftet sein) und pulsiere vor Lebenswut. Im positivsten Sinne. Lernen, Abnehmen, Arbeiten, unter Menschen sein statt unter Geistern.

Donnerstag, 9. Mai 2013

Die Zigarette danach.

Wohliges Beben im Körper, von den Zehen bis in die Haarspitzen. Ich trage sein Superman-Shirt, er graue Pantys.
"Hach..."
"Ja."
Pause.
Debiles Grinsen.
"Du bist... so schön, Lennard."
"Du bist wunderschön. So wie du bist, jetzt in diesem Moment und davor und danach."
"Ich weine gleich, im Ernst."
"Hey. Es ist alles gut."
"Ja. Ja, das ist es."
"Schöner Geburtstag... wirklich."
"Alter Mann!"
Kleine Küsse, Asche fällt auf den Parkettboden.
Ich denke weiter.
Er beißt zärtlich in meine Nase, Lippen flattern gegen Lider, wir treffen uns an der Stirn, Zyklopenstyle.
Ich denke, dass ich zu fett bin und hässlich und ein widerwärtiger Mensch, nur nicht in diesem Moment.
Sendepause. Es ist alles richtig. Meine destruktive Stimme liegt geknebelt und gefesselt im Kofferraum seines silbernen Benz.
Wir halten uns minutenlang im Arm und lauschen dem Glück.



Dienstag, 7. Mai 2013

But that's what happens when it's you who's standing in the path of a ligthning bolt.

Jake Bugg - Lightning Bolt

Ich bin so unendlich.
Der Tag ist grau, die Luft frisch gewaschen und die Zukunft verheißungsvoll.
Lass es einfach so weitergehen, so wie heute, gestern und die Tage davor, immer weiter.






Morning, it's another pure grey morning
Don't know what the day is holding
When I get uptight
And I walk right into the path of a lightning bolt...


Chances, people tell you not to take chances
When they tell you there aren't any answers
And I was starting to agree
But I awoke suddenly in the path of a lightning bolt

Fortune, people talking all about fortune
Do you make it or does it just call you.
In the blinking of an eye
Just another passerby in the path of a lightning bolt

Everyone I see just wants to walk with gritted teeth
But I just stand by and I wait my time
They say you gotta tow the line they want the water not the wine
But when I see the signs I jump on that lightning bolt










Samstag, 4. Mai 2013

#Staub wischen mit Yoko.

Am Mittwoch habe ich T. gesehen und meine letzten Sachen von ihm geholt: Unterhosen, ein paar Zeitschriften, ein altes Duschgel mit Kakaobutter, jede verfickte Postkarte die ich ihm je geschrieben habe, jeder Liebesbrief, sogar die Neil Young-CD die er von mir zu Weihnachten bekommen hat - er stellt eine gelbe Aldi-Tüte auf den Asphalt zwischen uns und schweigt ungläubig. Vollkommen betrunken sind seine grünen Augen merkwürdig glasig und hell, die Pupillen winzig und unruhig zuckend. Seine Stimme bricht, als er mir ein letztes Mal nachläuft und meinen Namen brüllt: Phoebe! Das kann nicht das letzte Mal gewesen sein! Ich brauche dich! Ich liebe dich und werde dich immer lieben! Stirb!
Ich gehe für immer.
Jetzt liege ich hier, ein dickes Walross voll mit indischem Essen und Schokolade, und kann mir selbst nicht erklären, wie ich ihn geliebt habe. Ich kann es fühlen, aber nicht rechtfertigen. Ich lese seine letzten SMS, die noch nicht blockiert wurden: Schrate sind Freunde der Honigbienen und der Haselmäuse. Dieser Punkt ist der Fleck auf deinem Zeh. Vergiss die Schrate, ich liebe dich.
Bedeuten diese Worte irgendetwas für irgendjemanden? Außer uns? Außer dem Muttermal am Fuß, dem Sommer in seinem alten Garten, bevor alles schlecht wurde was uns geschmeckt hatte?
Der Bruch ist so tief, dass wir nicht einmal die selbe Sprache sprechen konnten. Mittwoch. Unheimlich, wie weit entfernt er schien, wie seine Worte an mir vorbeirauschten ohne mich auch nur zu streifen - es war nur sein Anblick, der bedeutete und schmerzte. Ich sagte ihm, wir könnten keine Freunde sein. Er hörte nicht zu. Drehte ungelenkt eine Zigarette, versuchte mich zu küssen. Ich schrie ihn an. Er wich aus, die Augen so ekelhaft verschleiert und grell, versuchte wieder und wieder, mich an sich zu ziehen. Ich konnte seinen Körper riechen unter all dem Schnaps und floh.
Ich gehe für immer, T.
Wie leistet man Trauerarbeit? Vielleicht ist man Yoko Ono und bastelt ein Video aus golden-verstaubten Vintage-Erinnerungen, singt "Walking on thin ice, I'm paying the price for throwing the dice in the air".
Vielleicht verdrängt man. Vielleicht liebt man heimlich weiter, obwohl der andere schon längst den seelischen Aggregatzustand von Staub erreicht hat. Vielleicht hasst man auch, ihn, sich. Ich?
Ich verliebe mich.
Ich verliebe mich und kann förmlich dabei zusehen, wie Farben auf der inneren Leinwand und Wortfelder der Zweisamkeit durch neue, andere, schönere, leichtere, nicht weniger komplizierte ersetzt werden.
Ist das, was darunter war, dann weg?
Ist das, was darüber kommt, dann falsch?
Ist es Flucht oder Fluch oder die Wirklichkeit, die mich ereilt?
Ich bin verflucht glücklich und alles andere als abgebrüht. Ich bin hochgradig nervös und neurotisch, fresse mir zwanghaft Kilo um Kilo auf die Rippen, als müsste ich mich dafür bestrafen.
Derart lebendig zu sein, mit solcher Intensität hingerissen zu werden, überfordert die geprügelte, geschändete Hülle. Ich häute mich und kann mich doch nicht abstreifen, die Schande bleibt (geschändet), die Zerrissenheit (zerrissen) und die Angst (gekauft, getrieben, getötet) lassen sich nicht von einer Battaillon rosa-glitzernder Schmetterlinge in Schach halten.
Es ist bestimmt richtig, dass wir uns die Zeit geben: "Es macht mich einfach glücklich."
Lennard lächelt, "Mich auch. Und das reicht doch für den Moment". Das ist keine Frage und keine Aufforderung, es ist eine Tatsache, versuche ich ihm zu glauben und zuversichtlich zu sein, was ich bin. Er wendet das Auto, ich krame nach dem Schlüssel, er winkt mit der freien Hand und ruft - Cherie!
Ich muss lachen und krabbele die Treppen zu unserer Wohnung hoch, im Kopf noch immer abstrus-assoziative Beat-Gedichte spinnend, die wir bei offenen Fenstern in den Nachthimmel gebrüllt hatten. Santana hören, irre lachen, zusammenhanglose Bilder finden, du bist Ginsberg, ich bin ein Gordischer Knoten mit wehendem Haar. Du bist neugierig und ich schreie, weil die Kurve zu scharf ist. Wir nehmen Ebenen ein mit Zen-Gelassenheit und Humor.
Ich verliebe mich und gleichzeitig trauere ich, und das widerspricht sich in keinster Weise.
Ich kann implodieren und rennen und bekennen und das Glück zelebrieren.
Wenn wir alles aussprechen, kann alles. Wenn wir aufrichtig sind und respektvoll, was riskieren wir denn?