Montag, 23. Juli 2012

Liebestrauma.

Ich liebe einen Alkoholiker.

Ich liebe ihn, seit wir vor anderthalb Jahren zur selben Zeit in der Psychiatrie gelandet sind.
  Ich liebe einen Choleriker.
T. ist der klügste, gebildetste, erfolgreichste, rationalste und analytischste Mensch, der in meinem Universum existiert - und der destruktivste zugleich. Wenn er verletzt ist, verliert er jede Beherrschung. Ob ich es bin, seine Mutter, seine Ex-Frau. Egal. Er wirft mit Tellern und vollen Aschenbechern. Er Brüllt und wütet jenseits von Gut und Böse. Er wird handgreiflich.
Die Worte, die in solchen Momenten (besonders wenn sie durch den Alkohol verstärkt noch inbrünstiger dröhnen) seinen Mund verlassen, sind Skalpelle in meinem Kopf. Mit sich überschlagender Stimme:

Du ekelhafte Person. Du Stück Scheiße. Ich wünsche mir, dass du stirbst. Du bist so hässlich und so arrogant. Ich war noch nie mit einer so fetten Frau zusammen. Du bist eine Hure. Ein Mitleidsfick. Wenn du so weiter frisst nimmt dich in spätestens zwei Wochen nicht einmal mehr ein Obdachloser. Dein Körper widert mich an. Ich kriege bei dir echt keinen mehr hoch, du bist so hässlich und nur Cellulite überall. Dein Gesicht geht, aber schön bist du nicht, du Fotze. Du saugst andere Menschen aus wie ein Parasit. Du hast noch nichts in deinem Leben erreicht. Ich will nciht mal mehr deine Titten schlagen, selbst dir wehzutun macht keinen Spaß mehr. Ich kotze, wenn ich dein Gejammere höre über dein Leben und deinen Scheiß-Körper. Ich hasse es deinen Bauchgeräuschen lauschen zu müssen wenn du schläfst. Du bist faul und undiszipliniert. Und klug bist du auch nicht, nicht mal überdurchschnittlich. Du bist dumm und ein Arschloch.Und eine fette Sau. Fahr doch zu S. (oder zu R.) und lass dich durchficken. Die müssen blind sein. Du bist der letzte Dreck. Verschwinde aus meinem Leben. Ich habe dich nie geliebt. Du wirst einfach verschwinden und keine Lücke hinterlassen, nur Befreiung. Ich hasse dich nicht, du bist mir egal. Du hast mich damals so sehr verletzt, tust es immer wieder, du bist größenwahnsinnig. Du kleine Schmeißfliege, komm ja nie wieder an mit deinen fetten Beinen und deinen fetten Titten. Ich will dich tot sehen.

Ich liebe einen Mann, der mich liebt, mich begehrt, mich wertschätzt.
Der mich streichelt. Mich heiraten will. Der mir die ganze Welt und das Universum erklärt und mir jede verwunschene Lichtung dieser Erde zeigen möchte. Riesenschildkröten und Berge.
Ich liebe einen Mann, der mir nächtelang Komplimente macht. Der findet, dass ich selbst mit 62 Kilogramm schlank wie ein Aal aussehe. Mit dem ich über alles diskutieren kann, der Worter, Musik, Bilder, Erfahrungen, Filmszenen in seinem Kopf herumträgt die meine kühnsten Träume übersteigen.
  Ich liebe einen schwer depressiven Menschen.
Er steht mit einem Fuß im Grab. Er ist müde und ohne Hoffnung. Er ist 48 und geschieden, ehemaliger Spitzenverdienen und international zu einem Stundensatz von 600€ zu haben gewesen. Jetzt bezieht er Berufsunfähigkeitsrente. Nicht wegen des Saufens, sondern wegen der Depression.

Ich muss die Kurve kriegen. Ich muss weniger werden, weniger lieben, weniger erwarten.
Ich weiß nicht wieviele Wunden er mir noch zufügen wird können, ich befürchte ich werde nie den Mut haben, zu gehen.
Vor Angst liege ich seit dem ersten Ausbruch oben geschilderter Art vor zwei Wochen (Weltuntergang) wach neben ihm und warte, bis er einschläft. Dann betrachte ich ihn. Wie friedlich er ist. Wie schön er ist, wie stolz. Wie schrecklich er ist. Fürchte mich vor der Gewalt seiner Worte, seiner Hände. Fürchte seinen Zorn. Die Angst ist immer da. Die Stimmung kann immer kippen.
  Ja, er entschuldigt sich. Behauptet, diese Dinge nur zu sagen/tun, um mir so sehr wehzutun wie es geht, weil ich ihn betrogen habe. Belogen. Verraten.
Er behauptet, dass es alles Lüge wäre, was er nach mir geworfen hat. Ich die schönste und hübscheste Frau sei, die er je in seinen Armen gehalten hätte. Dass ich klug sei und begabt, und bewunderswert. Und lieb. Ich Sei ein lieber Mensch und er würde mich immer lieben.

Schön wäre natürlich, wenn ich das Selbstbewusstsein hätte, diese Entschuldigen zu glauben. Oder es einfach nicht zuzulassen, dass er so gewalttätig wird. Zu gehen.
Ich liebe ihn. Wie könnte ich gehen?




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