Gestern war ich bei T.
Bitte. Komm her, ich möchte dich sehen.
Ich will dich nur warnen - ich sehe extrem scheiße aus im Moment. Aufgeschwemmt und unförmig und ungeduscht und...
Das ist mir sowas von egal. Ich werde dich nicht bedrängen oder irgendetwas. Nur reden.
Wir redeten ein wenig. Ich - verkrampft und fett und schrill. Er - zerzaust und humorvoll und blau.
Er nahm mein Gesicht in seine großen Hände und zog meinen Kopf zu seinem, berührte meine Haut, meine Lippen ganz kurz mit den seinen. Du hast keine Ahnung, nicht die geringste, was du mit mir machst. Was es für mich bedeutet, wenn du mich küsst. Du weißt es wirklich nicht?
Ich roch an seiner Wange, seinem Hals.
- Es ist nicht so einfach, T. Ich habe Angst. Es kann sein dass etwas passiert, was ich nicht will; das heißt, theoretisch will ich es schon, aber ich fürchte mich vor der Erwartungshaltung, die bei dir entstehen könnte. Eigentlich sollten wir... Ich weiß nicht, ehrlich, nicht was ich will und nicht was gut für mich ist.
- Würdest du mir die Haare schneiden?
Er stand auf und begann, sich auszuziehen. Ich starrte ihn an, halb verwirrt, halb erregt, und folgte ihm ins Badezimmer. Wir kicherten wie Kinder, als ich begann, an seinem Haar herumzuschneiden. Hauptsache gleichmäßig kurz, ja, ich weiß, so wie beim letzten Mal.
Neil Young und seine dreckige Gitarre im Hintergrund, T. und ich auf dem Bett, ein paar Herzschläge Vorspiel.
Wir küssten uns lange. Immer dringlicher, fordernder. Mein Zopf löste sich, sein graues Baumwollshirt verlor sich in den Laken und Körpern. Lautes Atmen, tiefes Atmen, Hände und Münder und Haut und Fleisch und Lust und Fett und Scham und Liebe und Ekel und Schweiß und Gewalt und ein Rennen und Keuchen, ziellos verzweifelt, zum Ziel.
Gentleman, der er ist, zündete er mir eine Zigarette an und schob sie zwischen meine Lippen.
Ich bedeckte meinen Bauch mit einem Zipfel der Bettdecke und schloss bei jedem Zug die Augen. Er ging ins Bad, kam wieder. Legte sich hinter mich, einen Arm um meine Mitte, ein Klacken des Feuerzeuges, Stille.
Wir malten mit den Augen verlorene Kreise auf die Decke und mit den Fingerspitzen auf den Unterarm des anderen. Als wir zu sprechen begannen ahnte ich, dass es nicht gut werden konnte. Nie mehr.
Es ist unerhört, dass wir es nicht lassen können, dem anderen unsere Wahrnehmung, unsere "Version" der Trennung und der Monate davor aufzudrängen. Es tut nur weh. Wir tun es trotzdem.
Vorwürfe beiderseitig gejagt von Entschuldigungen. Der Kreislauf, in dem wir uns um uns selbst drehen, ist folgendermaßen strukturiert: Er sagt etwas kritisches über mein Verhalten, ich fühle mich angegriffen und verletzt. Ich versuche, ihm auf einer sachlichen, pseudo-psychoanalytischen Ebene Erklärungen oder Rechtfertigungen für mein Verhalten in der Vergangenheit zu liefern. Er reagiert wütend, wirft mir Arroganz und Rechthaberei vor. Ich sage, dass ich nur so rede, weil ich mich vor Angriffen seinerseits schützen will. Er toppt das Ganze mit Aussagen von wegen - weißt du eigentlich wie sehr du mir wehgetan hast? Ich fühle mich ekelhaft, mache mich klein, entschuldige mich. Er kritisiert mich dafür. Ich fühle mich angegriffen...
Wir stritten etwa eine Stunde lang.
Wie es weitergehen soll mit uns? Ich will kein "uns" mehr. Können wir uns darauf einigen, dass du mich rausgeschmissen hast und ich mit dir Schluss gemacht habe?, frage ich ihn. Ich überlege fieberhaft, was er überhaupt an mir findet. Ich ekele mich so sehr vor mir. Er schweigt, drückt eine Kippe aus und faltet die Arme hinter dem Kopf.
Unsere Worte, zaghaft und dann wieder mit Gewalt aufgeladen, offenbarten nur Gräben.
Unsere Gesten wären die von Liebenden.
Nach drei Stunden verließ ich seine Wohnung. Am Freitag wollen wir Essen gehen.
Kacke, Biberkacke. Was mache ich nur?!
Lies deine alten Posts über ihn, wieder und wieder und wieder. Und überleg dir, ob du diese Zeit nicht viel lieber nutzen willst, um ihn zu vergessen und einen kennen zu lernen, der kein Alkoholiker ist und dich nicht schlägt. Einen, mit dem du auch auf Dauer glücklich werden kannst. Ich weiß, als Außenstehende kann man das so dahersagen, aber du kennst T. jetzt lange genug.
AntwortenLöschenTu dir das nicht weiter an. Auch wenn du dich dann zeitweilig vielleicht noch einsamer fühlst - geborgen fühlst du dich bei ihm doch momentan auch nicht, oder? Höchstens vertraut. Aber destruktiv vertraut :/
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