Freitag, 26. April 2013

Über Hände.

Mein Unterbewusstsein zaubert hin und wieder groteske Kaninchen aus dem Hut.
Ich habe von R. geträumt, dem Politiker. Den letzten Briefwechsel gab es vor einem guten Jahr.
In meinem Traum stand er am Sparkassenautomaten, drehte sich plötzlich um und starrte mich an. Sein Haar war glatter als in meiner Erinnerung, schulterlang und von grauen Fäden durchzogen. Die Augenbrauen dicht und dunkel, eine randlose Brille auf der preußischen Nase, der Wohlstandsbauch von einem karierten Flanellhemd bedeckt, welches ich auf seinem Balkon getragen hatte vor hunderten Nächten.
Wir stolperten aufeinander zu wie im Nebel, er roch wie das Meer und nach Gauloises.
"Seit wann rauchst du wieder?", fragte ich ihn atemlos.
"Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben."
"Wieso? Wieso jetzt? Ich dachte wirklich, du wärst durch damit."
Er fuhr sich mit beringter Hand durchs Haar und streifte mit seinem Ellenbogen meine Schulter.
"Das sind nunmal stoffgebundene Süchte, Phoebe. Ich will dich zurück, diesmal für immer. Komm mit mir nach (Kleinstadt an der Nordseeküste)."
Sekundenbruchteile verstrichen bis ich registrierte dass ich seine Hand hielt. R. hat die schönsten Hände, die ich je bei einem Mann gesehen habe. Sie sind feingliedrig und groß und elegant. In meiner Erinnerung wird er immer in der Manteltasche Zigaretten drehen und Krabben pulen, einen schlichten silbernen Ring tragen und mir eine Locke aus der Stirn streichen. Er wird Rosinen in sein Couscous werfen und Sand durch die Finger rieseln lassen, er wird stundenlang durch Bücher blättern jene Zeilen berühren, die er liest.
Seine Hände werden meinen Körper stimmen wie ein Instrument, sie werden fliegen und wirbeln und Grashalme ausreißen. Behutsam die Etiketten von Weinflaschen und die Laken aus dem Motel glätten.

In meinem Traum setzten wir uns auf den warmen Asphalt. Mir fehlten die Worte. In meinem Traum war ich nie über ihn hinweggekommen. Ich glaube, ich erklärte ihm, dass es nicht ginge. Ich weinte und hielt einen Vortrag über Epikur. R. weinte auch. Es war wie unser letzter Abschied am Bahnhof, nur ohne Johnny Cash.
Dann stand ich auf und ging, ohne mich noch einmal umzudrehen, Tofu kaufen.


Phoebe 2011 bei R.



1 Kommentar:

  1. deine texte sind bombe, meine liebe. man möchte nicht aufhören zu lesen. mach´ da was draus, bei dir könnte es echt was werden <3

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